Süddeutsche Zeitung

Niederländischer Rechtspopulist:Wilders steht allein da

  • Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders ist politisch isoliert. Alle maßgeblichen Parteien schließen eine Koalition aus.
  • Das könnte ihm allerdings einen Vorteil verschaffen: Wer der Regierung einen Denkzettel verpassen will, kann Wilders' Freiheitspartei wählen.
  • Wilders profitiert in hohem Maße von der verbreiteten Unzufriedenheit mit der etablierten Politik, die er selber kräftig schürt.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Geert Wilders wird nach der niederländischen Parlamentswahl im März vermutlich weder Premierminister noch Mitglied einer Koalitionsregierung werden. Der amtierende Premier Mark Rutte von der rechtsliberalen VVD schloss am Wochenende eine Zusammenarbeit mit Wilders' in Umfragen weit vorne liegender Freiheitspartei (PVV) definitiv aus. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios liege nicht bei 0,1 Prozent, sondern bei null, sagte Rutte im Fernsehen. Sozialdemokraten, Christdemokraten, Sozialisten, Linksliberale und Grüne hatten sich schon vor Längerem gegen eine Kooperation mit den Nationalisten ausgesprochen.

Damit legen die maßgeblichen Parteien implizit eine Art Cordon Sanitaire um die PVV. Die Lage ähnelt der Belgiens in den Neunzigerjahren, als die etablierten Parteien verabredeten, sich auf keinen Fall mit dem damals erstarkenden rechtsextremen Vlaams Blok zusammenzuspannen. Immer deutlicher schälen sich in den Niederlanden zwei große Blöcke heraus: Nationalisten gegen alle anderen - eine Konstellation, die sich auch in Frankreich und anderen Ländern abzeichnet.

Führende Parteikollegen Ruttes hatten die Tür für Wilders bisher einen Spalt breit offen gelassen. Es gehe in einer Demokratie nicht an, bestimmte Kräfte von vornherein auszuschließen, argumentierte Gesundheitsministerin Edith Schippers. Rutte selbst hatte als Bedingung stets genannt, dass sich Wilders von seinem umstrittenen Auftritt im Jahr 2014 ("Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?") distanziere. Das hat dieser nie getan; er hat vielmehr seine fremdenfeindlichen Aussagen verschärft. Der Ministerpräsident führte nun aber noch andere Gründe gegen Wilders an: Zum einen die missglückte Regierungszusammenarbeit mit dem Islam-Kritiker, als dieser Ruttes Minderheitskabinett nach zwei Jahren 2012 die "Duldung" aufgekündigt hatte. Außerdem sei die PVV in wirtschaftlichen und sozialen Fragen "linker als die Sozialisten".

Damit zeichnet sich für die Zeit nach dem 15. März eine schwierige Koalitionsbildung ab, bei der die VVD viele kleinere Parteien für ein Bündnis gewinnen muss, das sich einer starken rechten Opposition gegenübersieht. Laut dem Peilingwijzer, der die Umfragen von fünf Instituten zusammenfasst, kommt die PVV derzeit auf mehr als 21 Prozent der Stimmen (etwa doppelt so viel wie 2012), die VVD auf knapp 16. Die anderen erreichen nicht einmal zehn Prozent.

Besonders markant ist der Absturz der derzeit mitregierenden Sozialdemokraten. Von ihren 40 Parlamentssitzen werden nach jetzigem Stand etwa zwölf übrig bleiben. An ihrer desolaten Lage scheint auch ein Führungswechsel - der etwas weiter links stehende Vizepremier Lodewijk Asscher ersetzte den glücklosen Diederik Samsom - nichts zu ändern.

Dass Wilders nun quasi offiziell als isoliert und "verfemt" gilt, wird ihm wohl weitere Wählergruppen zuführen, die auf diese Weise ihren Protest ausdrücken können, ohne das Risiko einer Regierungsbeteiligung in Kauf nehmen zu müssen. Aus einer solchen Position der Stärke heraus wird Wilders den Kurs der niederländischen Politik zumindest indirekt mitbestimmen können. Sein Wahlprogramm hatte der Populist schon kurz nach der Sommerpause veröffentlicht, auf einem einzigen Din-A4-Papier. Diese PR-Aktion sorgte wochenlang für Gesprächsstoff.

Wichtigster Punkt ist die "De-Islamisierung" des Landes: alle Moscheen schließen, Grenzen dichtmachen, keine Muslime mehr ins Land lassen, den Koran sowie das Kopftuch in öffentlichen Ämtern verbieten. Daneben fordert Wilders, aus der EU auszusteigen, Mieten und Einkommensteuer zu senken und die Rente mit 65 wiedereinzuführen. Zusätzlichen Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung stünden allein sieben Milliarden Euro gegenüber, die sich aus der "De-Islamisierung" ergäben.

In Wirtschaftskreisen wird laut Medienberichten überlegt, ob man sich mit einem Teil der Agenda nicht doch anfreunden könnte, um Wilders in das traditionelle niederländische Konsensprinzip einzubetten. Auf keinen Fall akzeptabel wären demnach ein Nexit, ein Austritt aus der EU, sowie die offene Diskriminierung von Einwanderern und Minderheiten.

Wilders profitiert in hohem Maße von der verbreiteten Unzufriedenheit mit der etablierten Politik, die er selber kräftig schürt. Zumindest die wirtschaftliche Lage bietet für Ärger eigentlich keinen Anlass. Unter Rutte hat sich das Land aus der Krise herausgearbeitet. Nach jüngsten Schätzungen wird das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um 2,1 Prozent wachsen; der Schuldenstand ist niedriger als der deutsche, die Stimmung der Verbraucher hat sich stark verbessert.

Allerdings leiden viele Niederländer noch unter den radikalen Kürzungen der vergangenen Jahre, vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich. Hier kann Wilders mit seinem relativ linken Programm punkten. Zusätzlich hilft ihm der Auftrieb nach seiner Verurteilung im Dezember. Ein Gericht hatte ihn wegen des Anti-Marokkaner-Auftritts von 2014 der Anstiftung zur Diskriminierung schuldig gesprochen.

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SZ vom 17.01.2017/Msc
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