Niederländer lehnen Ukraine-Abkommen ab:Niederländer sagen "Nein" - aber die EU-Gegner freuen sich zu früh

Geert Wilders feiert bereits "den Anfang vom Ende der EU", doch bei genauer Betrachtung ist das Veto der Niederländer zum Ukraine-Abkommen weniger gewaltig.

Kommentar von Stefan Ulrich

Wenn es läuft, dann läuft es - diese Regel gilt auch für die Gegner der Europäischen Union. Sie eilen bei Wahlen von Erfolg zu Erfolg und haben jetzt beim Referendum in den Niederlanden einen Sieg mit Knalleffekt erzielt. Mehr als 60 Prozent der Bürger, die zu den Urnen gingen, stimmten gegen ein Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine. Dabei ist allen klar: Dieses Nein der Niederländer gilt weniger den Ukrainern als den Brüssel-Europäern.

EU-Kritiker und Nationalisten in ganz Europa werden das jetzt feiern und als Omen für das Europa-Referendum im Juni in Großbritannien beklatschen. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders frohlockt bereits über den "Anfang vom Ende der EU". Doch Wilders und seine Gesinnungsgenossen auf dem ganzen Kontinent freuen sich zu früh.

Nur 32 Prozent der Wahlberechtigten haben bei diesem Referendum mitgestimmt. Viele Pro-Europäer blieben zu Hause, weil sie - fälschlich - darauf vertrauten, dass so das nötige Quorum von 30 Prozent verfehlt und die ganze Volksabstimmung unwirksam würde. Die Niederlande wiederum sind nur einer von 28 Staaten der Union, sie stellen 17 von 500 Millionen EU-Bürgern. Das lässt das Nein nicht so gewaltig wirken.

Dennoch ist der Ausgang des Referendums beunruhigend. Er könnte die ohnehin labile Ukraine weiter destabilisieren und den Menschen dort die letzte Hoffnung auf eine bessere Zukunft rauben. Das Nein bei der Volksabstimmung ist für die Regierung in Den Haag zwar nicht bindend; sie wird es aber nicht wagen, sich darüber hinwegzusetzen. Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener Bürger der Ukraine, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um das zu erreichen, was für Niederländer, Deutsche, Polen oder Briten selbstverständlich ist: Sicherheit, Wohlstand, Entscheidungsfreiheit.

Obwohl alle anderen 27 Staaten der EU dem Abkommen zugestimmt haben, das der Ukraine wirtschaftlich und damit auch politisch aus der Misere helfen kann, wird es nun nicht endgültig in Kraft treten. Dafür müssten alle 28 zustimmen. Das zeigt, dass es in Europa viel leichter ist zu blockieren als zu gestalten. Dadurch wird die EU gelähmt, was ihre Gegner nutzen, um sie noch mehr anzugreifen und noch mehr zu blockieren. Ein Teufelskreis, der irgendwann tatsächlich zum Zerfall führen könnte.

Als die Europäische Union vor gut einem Jahrzehnt ihre große Osterweiterung anging, lautete zunächst die Devise: Keine Erweiterung ohne Vertiefung. Die neuen Mitglieder sollten erst aufgenommen werden, nachdem sich die EU genug reformiert hatte, um in sich gefestigt und entscheidungsfähig zu sein.

Sand des Neins im komplizierten EU-Räderwerk

Diese Bedingung wurde dann fallengelassen, aus der verständlichen Sorge heraus, sonst die historische Gelegenheit zur Aufnahme der östlichen Staaten zu verpassen. Jetzt aber rächt es sich, dass es zur Erweiterung ohne Vertiefung kam. Die Ukraine-Frage und die Flüchtlingskrise legen die Konstruktionsfehler der EU offen; und es ist schwer, sie mitten im Unwetter zu beheben. Um dies zu schaffen, müssten die Pro-Europäer mit Courage und Leidenschaft zur Sache gehen. Davon ist wenig zu spüren.

Zugleich ist die Kritik an "denen in Brüssel", an den "regulierungswütigen Eurokraten" und angeblichen Erfüllungsgehilfen einer brutal-kapitalistischen Globalisierung nach angelsächsischen Muster verlogen. Sie verschweigt, dass es vor allem die Nationalstaaten sind, die mit ihrem kurzsichtigen Egoismus Lösungen verhindern und so das kontinental-europäische Modell einer sozialen Marktwirtschaft schwächen.

Getrieben von einem besonders lautstarken Teil ihrer Bürger schütten zu viele Regierungen der Mitgliedsstaaten den Sand des Neins ins komplizierte Räderwerk der Europäischen Union. Und jetzt sollen noch mehr Macht für die Nationalstaaten, noch mehr Nationalismus und noch mehr Egoismus Lösungen bringen?

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