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Schottland:Regierungschefin Sturgeon tritt zurück

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Die SNP-Politikerin will im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist. Ihr fehle die Kraft, das Amt in der Weise auszufüllen, die es verdiene.

Von Julia Hippert

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon wird ihr Amt sowohl als "First Minister" als auch als Vorsitzende der Scottish National Party (SNP) aufgeben. Das gab die 52-Jährige auf einer Pressekonferenz in Edinburgh bekannt. Sie werde im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist.

Der Grund für ihren Rücktritt seien nicht die aktuellen Herausforderungen, vor denen das Land und die Partei stehen, sondern persönlicher Natur, sagte Sturgeon. Die Entscheidung sei das Resultat eines längeren Prozesses gewesen. Ihr Verbleib im Amt sei nicht das Richtige für ihre Partei, für das Land, aber auch nicht für sie selbst. "Ich bin ein Mensch, nicht nur eine Politikerin," sagte die 52-Jährige. "Ich habe alles gegeben, aber das kann man nur für eine bestimmte Zeit."

Das Amt der Regierungschefin sei "der beste Job der Welt" und es sei ihr eine Ehre gewesen, dieses Amt zu bekleiden. Man könne diesen Job aber nur machen, wenn man bereit sei, alles dafür zu geben. Das aber ginge nur für eine bestimmte Zeit, sagte Sturgeon. Als Regierungschefin sei man niemals nicht im Dienst, man habe keinerlei Privatsphäre und Dinge, die für andere Menschen ganz normal seien - wie mit Freunden einen Kaffee zu trinken oder spazieren zu gehen -, seien für sie unmöglich. "Das fordert seinen Tribut sowohl von einem selbst als auch von den Menschen um einen herum," sagte die SNP-Politikerin.

Im Kampf um die schottische Unabhängigkeit musste Sturgeon einen Dämpfer hinnehmen

Sturgeon strebt seit Langem eine schottische Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich an. Nachdem sich 2014 eine Mehrheit der Schotten für einen Verbleib ausgesprochen hatte, versuchte Sturgeon in Folge des Brexit, eine weitere Abstimmung in die Wege zu leiten. Trotz Ablehnung durch die britische Regierung stellte sie im Juni 2022 ihre Pläne für ein zweites Referendum vor, das im Oktober 2023 stattfinden sollte.

In den vergangenen Monaten musste Sturgeon jedoch einen schweren Dämpfer hinnehmen. Der Oberste Gerichtshof Großbritanniens hatte den schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen im November einen Riegel vorgeschoben. Die Richter entschieden, dass ein weiteres schottisches Referendum über die Abspaltung vom Vereinigten Königreich gegen den Willen der britischen Regierung nicht zulässig ist. Sturgeon sagte damals, sie sei enttäuscht von der Entscheidung, akzeptiere sie aber. Unabhängigkeit müsse auf legalem und demokratischem Wege erreicht werden.

Zudem belastete zuletzt der Streit um ein kontroverses Gender-Gesetz die schottische Regierung. Mit dem Gesetz, für das das schottische Parlament im vergangenen Jahr gestimmt hatte, soll unter anderem die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen. Das Mindestalter für einen Antrag soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. Als trans Menschen werden Personen bezeichnet, die sich dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig fühlen.

An der Entscheidung gab es viel Kritik, zu den prominentesten Stimmen gehört die "Harry Potter"-Autorin Joanne K. Rowling. Sie und ihre Mitstreiter befürchten, dass Männer die vereinfachten Regelungen ausnutzen könnten, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudringen, die Frauen vorbehalten sind, wie zum Beispiel Damenumkleiden oder -toiletten. Unterstützer sehen in dem Gesetz hingegen eine längst überfällige Reform, die trans Menschen das Leben erleichtern und ihnen ermöglichen könne, selbstbestimmt zu leben.

Sturgeon ist seit 2014 First Minister und damit die am längsten amtierende schottische Regierungschefin.

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