Knesset:Israel legt NGOs aus Furcht an die Leine

Erst Russland, China und Ägypten, nun erlässt auch Israel ein Gesetz zur Beobachtung von Nichtregierungsorganisationen. Dabei müsste eine offene Gesellschaft die semiprofessionellen Aufpasser aushalten.

Kommentar von Julian Hans

Es steigt die Zahl der Menschen, die das Weltgeschehen mit der Augsburger Puppenkiste verwechseln: Für sie sind die sichtbaren Akteure nur Marionetten, die Fäden ziehen verborgene Mächte im Hintergrund. Die Frage, ob sie selbst von anderen gesteuert würden, weisen solche Verschwörungsspezialisten empört von sich. Sie sind die letzten Freidenker, beeinflussbar sind immer nur die anderen.

Jeder, der schon einmal eine Jugendfreizeit geleitet hat, weiß, dass selbst kleine Gruppen junger, also beeinflussbarer Menschen nur äußerst schwer zu steuern sind. Selbst wenn es um die einfachsten Dinge geht wie 23 Uhr Licht aus. Dennoch sind viele bereit zu glauben, dass es nur eines geheimen Zeichens und einiger Dollar bedarf, und Hunderttausende strömen auf die Straßen, um eine Regierung zu stürzen.

In der Nacht zum Dienstag ist Israel dem Klub der Länder beigetreten, in denen Nichtregierungsorganisationen beobachtet werden, wenn sie Geld aus dem Ausland erhalten. Ausländische Staaten sollen sich nicht "über die Finanzierung von NGOs in Israels innere Angelegenheiten einmischen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt", sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Das Gesetz würde deshalb die Demokratie stärken.

Unangefochtener Anführer des Klubs ist Russland

Ein Blick auf die anderen Mitglieder in diesem Klub lässt Zweifel aufkommen, ob dies wirklich das Ziel der Maßnahme sein könnte: Mit dabei sind unter anderem Aserbaidschan, Weißrussland, Venezuela - keine Orte, an denen die Freiheit blüht und die Gerechtigkeit triumphiert. Unangefochtener Anführer des Klubs ist Russland, wo NGOs als "Agenten des Auslands" diffamiert werden, wenn sie Fördermittel aus dem Ausland erhalten und sich politisch betätigen.

Kritik kontert Moskau routiniert mit einem Verweis auf den Foreign Agents Registration Act in den USA. Allerdings wurde der 1939 eingeführt, um der Propaganda der Nazis entgegenzutreten. 1966 wurden die Anforderungen für ein Verfahren so erhöht, dass es bis 2011 kein Urteil gab. In vier Fällen seitdem gab es Verbindungen zu Geheimdiensten.

Die Praxis in Russland dagegen zeigt, dass es schon genügt, Aufklärung über Aids zu betreiben oder sich gegen Gewalt in Familien zu engagieren, um als "politisch tätig" eingestuft zu werden. 135 Organisationen hat das Justizministerium gelistet. Mit der Verschärfung des NGO-Gesetzes vor vier Jahren hat Moskau vorgemacht, wie sich eine erwachende Zivilgesellschaft einschüchtern lässt. Denn ein NGO-Gesetz kommt nie allein; gelenkte Medien begleiten es mit verleumderischen Berichten über angebliche Vaterlandsverräter.

Die Justiz nutzt das Gesetz als Vorwand für Durchsuchungen

Der bürokratische Aufwand überfordert gerade kleine Bürgerinitiativen, viele geben auf. Die Justiz nutzt das Gesetz als Vorwand für Durchsuchungen. Der Leiterin der NGO "Frauen vom Don" drohen bis zu zwei Jahre Haft, weil sie gegen die Bestimmungen verstoßen haben soll. Das israelische Gesetz zielt auf Bürger, die sich etwa gegen den Siedlungsbau einsetzen.

Was haben sich ausländische Stiftungen und Regierungen da überhaupt einzumischen? Offene Gesellschaften leben vom Wettbewerb der Ideen. Sie sind umso erfolgreicher und stabiler, je mehr gute Initiativen sich in diesem Wettbewerb einbringen. In der globalisierten Welt sind nicht nur die Märkte verwoben und der Warenaustausch frei. Auch der Austausch und der Wettbewerb von Ideen ist grenzenlos. Im besten Fall machen gute Erfahrungen international Schule - ob bei der Aids-Prävention oder im Umweltschutz.

Eine offene Gesellschaft verträgt auch das vergangene Woche in Berlin gegründete Institut "Dialog der Zivilisationen", für das ein Putin-Freund jährlich fünf Millionen ausgeben will. Denn seine Ideen müssen in einer Debatte bestehen, die es in autoritären Staaten gar nicht gibt.

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