Kleine Anfrage:Eine Antwort wie eine Ohrfeige

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Friedrich Merz (re.) hat sich mit seiner Anfrage an die Bundesregierung verzockt, sagte Greenpeace-Chef Martin Kaiser. Auch CSU-Chef Markus Söder waren die Demonstrationen gegen rechts ein Dorn im Auge. (Foto: Annegret Hilse/REUTERS)

In 551 Fragen wollte die Unionsfraktion herausfinden, ob der Staat Organisationen fördert, die gegen rechts demonstrieren. Jetzt hat die Bundesregierung geantwortet. Und zwar deutlich.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Union wollte es wissen, und zwar genau. Werden Vereine und Organisationen, die im Januar gegen rechts im Allgemeinen und die CDU im Speziellen demonstrierten, von staatlichen Stellen unterstützt? Die Frage nach deren „politischer Neutralität“, so hatte die Unionsfraktion festgestellt, „sorgt aktuell zunehmend für Debatten“. Satte 551 Fragen reichte sie deshalb mit einer sogenannten Kleinen Anfrage ein, sie widmeten sich 17 verschiedenen Organisationen, alle 17 waren empört. Und jetzt hat die Union eine Antwort.

Auf 83 Seiten legt die Bundesregierung vor allem dar, warum sie schon von der Frage nichts hält. Schließlich lebe der freiheitlich demokratische Verfassungsstaat von „zivilgesellschaftlichem Engagement für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben“, heißt es in der Vorbemerkung der Bundesregierung. Und auch der Staat habe die Aufgabe, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. „Hierzu zählt auch die aktive und passive Förderung bürgerschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements.“ Mehr noch: Über diese Frage habe es immer einen parteiübergreifenden Konsens gegeben – inklusive der Union.

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Seit die Unionsfraktion die Finanzierung von 17 Organisationen durchleuchten will, reißt die Kritik nicht ab. Die Betroffenen reagieren verwundert bis empört.

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„Mit verschiedenen Such- und Filterfunktionen“ ließen sich viele Informationen eigenständig ermitteln

Die Vorbemerkung steigert sich von Zeile zu Zeile, bis sie einer Ohrfeige an die Fragensteller gleichkommt. So verweist die Bundesregierung freundlich darauf, „dass das Grundgesetz ein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit garantiert“. Dies gelte auch für Vereine und Organisationen. Und: „Die Bundesregierung ist nicht befugt, Zuwendungsempfängern in Hinblick auf die Veranstaltung von Demonstrationen Vorgaben zu machen“, heißt es weiter. Jedenfalls, wenn diese Demos nicht Gegenstand der Förderung seien.

Was nun die Fördersummen konkret angeht, nach denen die Unionsfraktion gefragt hatte, verweist das federführende Bundesfinanzministerium auf das Lobbyregister des Bundestages. Dort lasse sich „mit verschiedenen Such- und Filterfunktionen“ eigenständig ermitteln, wer welche Interessen vertritt und wie das finanziert wird. Alles andere, etwa die Prüfung der Gemeinnützigkeit, obliege den Finanzbehörden der Länder.

Was halten die betroffenen Organisationen von den Antworten?

Viel Neues dürfte die Unionsfraktion damit aus der Antwort nicht erfahren. Der Einfachheit halber und „aufgrund des Sachzusammenhangs“ bezog sich die Regierung mit den meisten Antworten gleich auf alle 17 Organisationen, zu denen es jeweils wortgleiche Fragen gegeben hatte. Mal verweist sie auf die Länder, mal hat sie nach eigenem Bekunden keine Erkenntnisse. Auf den hinteren Seiten bestehen die meisten Antworten schlicht aus Verweisen auf bereits gegebene Antworten.

Die betroffenen Organisationen sind mit der Antwort soweit zufrieden. „Die Bundesregierung erteilt der Unionsfraktion Nachhilfe in Demokratie“, findet etwa Felix Kolb, Chef des Kampagnennetzwerks Campact. Greenpeace sprach angesichts der Anfrage der Union von „schlechtem Stil und unnötiger Scharfmacherei“. Der Fragenkatalog habe auch Organisationen einschüchtern sollen, die nichts mit den Protesten zu tun hatten oder wie Greenpeace finanziell unabhängig sind. „Friedrich Merz hat sich verzockt“, sagte Greenpeace-Chef Martin Kaiser.

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