Neuwahl:7 Fakten zur Spanien-Wahl

Warum in Spanien schon wieder gewählt wird - und was das ändert. Das Wichtigste zur Wahl kurz erklärt.

Von Barbara Galaktionow und Benedikt Peters

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1. Darum wird in Spanien schon wieder gewählt

Spain's King Felipe signs decree to dissolve parliament and formally call a parliamentary election

Quelle: REUTERS

Die Wahl im Dezember 2015 rüttelte das Parteiengefüge in Spanien durcheinander. Erstmals seit der Entstehung der spanischen Demokratie in den späten 1970er Jahren gelang es keiner der zwei bis dahin dominierenden Parteien - dem konservativen Partido Popular (PP) oder dem sozialdemokratischen Partido Socialista Obrero Español (PSOE) - eine Mehrheit der 350 Parlamentssitze zu erringen. Der Grund: Mit der linken Podemos (Wir können) und den liberalen Ciudadanos (Bürger) zogen neue Parteien mit zweistelligen Ergebnissen ins Parlament ein.

Die Bildung einer Koalition misslang. Mit dem Wahlsieger PP und seinem Parteichef, Ministerpräsident Mariano Rajoy, wollte keiner zusammengehen. Die Konservativen gelten vielen wegen der rigiden Sparpolitik und den fortdauernden Korruptionsskandalen als diskreditiert.

PSOE-Chef Pedro Sánchez versuchte, mit den Ciudadanos ein Mitte-link-Minderheitenkabinett zu bilden, wäre jedoch dabei auf eine Tolerierung durch die Linskpopulisten von Podemos angewiesen gewesen - die verweigerten sie ihm. Anfang Mai löste deshalb König Felipe VI. das Parlament per Dekret (Foto) auf und setzte Neuwahlen an.

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2. So stehen die Parteien in Umfragen da

3. Warum die Konservativen führen - und dennoch ein Problem haben

4. Was den Sozialisten Kopfzerbrechen bereitet

5. Podemos und Ciudadanos - keine Eintagsfliegen

6. Warum Rechtsextreme in Spanien keine Rolle spielen

7. Das sind die beherrschenden Themen

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2. So stehen die Parteien in Umfragen da

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Quelle: AFP

Die spanische Großbank BBVA wagte eine Schätzung, was das seit Dezember andauernde politische Vakuum das Land gekostet hat. Ihr Ergebnis: 0,8 Prozentpunkte weniger Wachstum und acht Milliarden Euro kleineres Bruttoinlandsprodukt, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldete.

Doch nach der Neuwahl am 26. Juni, so versichern die Chefs der großen spanischen Parteien, soll der Stillstand beendet sein. Nur woher nehmen sie ihre Zuversicht? Am veränderten Wählervotum kann es nicht liegen.

Blickt man auf die jüngsten Umfragen (hier gesammelt von El Mundo in einer beeindruckenden Grafik), werden sich bei den Neuwahlen keine klaren Mehrheiten ergeben. Rajoys PP wird wohl ein paar Sitze einbüßen, bleibt aber mit etwa einem Drittel der Parlamentssitze weiterhin stärkste Kraft. Die liberalen Ciudadanos landen wieder auf Platz 4. Ein bemerkenswerter Wandel steht allerdings bei den linken Parteien bevor: Der PSOE kann offenbar seine Position an Platz 2 nicht behaupten, sondern wird von Unidos Podemos überholt. Die Linkspopulisten könnten etwa ein Viertel der Sitze erhalten.

Foto (von links): Mariano Rajoy (PP), Pedro Sánchez (PSOE), Albert Rivera (Ciudadanos) und Pablo Iglesias (Podemos)

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3. Warum die Konservativen führen - und dennoch ein Problem haben

4. Was den Sozialisten Kopfzerbrechen bereitet

5. Podemos und Ciudadanos - keine Eintagsfliegen

6. Warum Rechtsextreme in Spanien keine Rolle spielen

7. Das sind die beherrschenden Themen

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3. Warum die Konservativen führen - und dennoch ein Problem haben

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Quelle: AFP

Die im Vergleich recht guten Umfragewerte verdankt der PP wohl vor allem der guten wirtschaftlichen Lage. Spanien, dem es in der Eurokrise zeitweise ähnlich schlecht ging wie Griechenland, verzeichnet heute ein für die EU überdurchschnittliches Wachstum. Ministerpräsident Rajoy kann sich daher damit brüsten, das Land erfolgreich aus der Krise geführt zu haben - auch wenn die Arbeitslosigkeit nach wie vor sehr hoch ist.

Seine Volkspartei kann dennoch alles andere als gelassen in die Wahl am 26. Juni gehen. Denn auch diesmal haben die gegnerischen Parteien angekündigt, keine Koalition unter Rajoys Führung einzugehen. Hauptgrund dafür sind die zahlreichen Korruptionsaffären, in die der PP in den letzten Jahren verstrickt war - etwa um den früheren Schatzmeister der Partei, Luis Bárcenas. Denkbar ist, dass eine Koalition unter Führung der PP nur dann zustandekäme, wenn Rajoy selbst auf einen Regierungsposten verzichten würde. Cristina Cifuentes, Regierungschefin der Region Madrid, gilt als mögliche Nachfolgerin (Näheres dazu hier).

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4. Was den Sozialisten Kopfzerbrechen bereitet

5. Podemos und Ciudadanos - keine Eintagsfliegen

6. Warum Rechtsextreme in Spanien keine Rolle spielen

7. Das sind die beherrschenden Themen

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4. Was den Sozialisten Kopfzerbrechen bereitet

Socialist Party (PSOE) leader Pedro Sanchez campaining

Quelle: dpa

Alles deutet darauf hin, dass die einst stolze Regierungspartei PSOE nach der Wahl nur noch Juniorpartner ist. Bleiben die Umfragewerte so schlecht wie bisher, können sich die Sozialdemokraten nur aussuchen, welcher Partei sie zur Mehrheit verhelfen - der Volkspartei PP oder dem Linksbündnis Unidos Podemos.

Für Sozialistenchef Sánchez (Foto, mit Anhängerin) ist es eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Die PP ist aufgrund zahlreicher Korruptionsaffären diskreditiert, Sánchez hat dies im Wahlkampf häufig angeprangert. Die Koalition mit der PP würde der PSOE daher wahrscheinlich schaden. Noch größer aber wäre wohl die Schmach als Juniorpartner unter Unidos Podemos, das den Sozialdemokraten die Vorreiterrolle unter den linken Parteien abspenstig gemacht hat.

Bei wichtigen Themen wie einer möglichen Abstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens liegen PSOE und Podemos zudem über Kreuz (siehe 7. Themen). Sánchez hat im Wahlkampf gesagt, er werde weder der Steigbügelhalter der PP noch Iglesias zum Regierungschef machen. Womöglich wird er nach der Wahl seinen Hut nehmen.

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5. Podemos und Ciudadanos - keine Eintagsfliegen

6. Warum Rechtsextreme in Spanien keine Rolle spielen

7. Das sind die beherrschenden Themen

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5. Podemos und Ciudadanos - keine Eintagsfliegen

Spanish general elections electoral debate

Quelle: dpa

Bei der jüngsten Wahl traten Podemos und Ciudadanos erstmals auf die nationale politische Bühne Spaniens. Und da bleiben sie wohl auch. Die neuen Parteien wollen mit dem alten, korrupten System aufräumen. Ansonsten gibt es zwischen ihnen keine Gemeinsamkeiten.

Die linksalternative Podemos will Steuern für Reiche erhöhen und Spanien weniger abhängig von EU-Vorgaben machen. Sie plädiert für mehr direkte Demokratie. In Barcelona und Madrid stellt sie bereits die Bürgermeisterinnen. Ihr Jeans und Pferdeschwanz tragender Chef Pablo Iglesias (rechts) ist eine Art Popstar der Politik. Durch einen Pakt mit der Linksaußenpartei Izquierda Unida ist ihm ein politischer Coup gelungen - das neue Bündnis Unidos Podemos (Gemeinsam können wir) kann auf ein starkes Ergebnis hoffen.

Die Ciudadanos machen eine liberale Politik rechts der Mitte. Sie wollen keine höheren Steuern, stehen zu den Defizitvorgaben der EU und sind, anders als Podemos, strikt gegen ein Referendum über die katalanische Unabhängigkeit. Ihr natürlicher Koalitionspartner ist der konservative PP - ein Bündnis aber würden sie nach Aussage von Parteichef Albert Rivera (links) nur eingehen, wenn Rajoy abdankt.

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6. Warum Rechtsextreme in Spanien keine Rolle spielen

7. Das sind die beherrschenden Themen

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6. Warum Rechtsextreme in Spanien keine Rolle spielen

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Quelle: AP

Der Front National in Frankreich, die FPÖ in Österreich oder die AfD in Deutschland - in vielen EU-Staaten sind rechtspopulistische Parteien im Aufwind. Spanien zeigt sich dagegen bislang erstaunlich resistent. Der Unmut über die etablierten Parteien führte zwar dazu, dass die Dominanz von PP und PSOE aufgebrochen wurde - doch eben nicht durch eine extreme Rechte, sondern durch den Siegeszug von Podemos und das Erstarken der Ciudadanos.

Das andere große Thema der Rechten - die Flüchtlingskrise - verfing hier kaum, da nach Spanien aufgrund einer rigiden Asylpolitik deutlich weniger Schutzsuchende kommen als in andere europäische Staaten (siehe Punkt 7.).

Historiker verweisen zudem auf die spanische Geschichte. Die Erinnerung den Franquismus habe die Gesellschaft gegen Kräfte der extremen Rechten immunisiert, heißt es - zumindest bislang. Hinzu käme, dass die spanische Rechte durch ihre Verankerung in Katholizismus und Franquismus die Modernisierung verpasst habe, der rechtspopulistische Parteien in anderen Ländern so erfolgreich mache (mehr zur schwachen radikalen Rechten lesen Sie hier mit SZPlus).

Foto: Neofalangisten bei einem Marsch im November 2014

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7. Das sind die beherrschenden Themen

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7. Das sind die beherrschenden Themen

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Quelle: AP

Nach der Eurokrise hat sich Spaniens Wirtschaft erholt, aber davon profitieren nicht all. Die regierende PP stellt das Positive in den Vordergrund - etwa das Wirtschaftswachstum von zuletzt 0,8 Prozent. Ohne seine Regierung, betont Rajoy, "ginge es uns heute wie Griechenland". Doch mit 21 Prozent ist die Arbeitslosigkeit hoch, unter jungen Spaniern liegt sie gar bei 53 Prozent. Rajoy will Steuern senken, Linkspolitiker Iglesias hingegen Reiche und Unternehmen stärker belasten. Der Sozialist Sánchez verspricht ein Mindesteinkommen für die ärmsten Familien.

Das zweite große Wahlkampfthema ist der katalanische Separatismus. Unidos Podemos wollen die Region mit der Hauptstadt Barcelona über ihre Unabhängigkeit abstimmen lassen. Die anderen drei Parteien lehnen dies ab. Das Thema gilt als eines der Haupthindernisse für eine mögliche Linkskoalition.

Das Thema Flüchtlinge spielt in Spanien nur eine untergeordnete Rolle. In der aktuellen Krise suchten nur sehr wenige Menschen Asyl in Spanien - das Land hat seine afrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla mit meterhohen Zäunen abgeschottet hat. Wenn im Wahlkampf Flüchtlinge erwähnt werden, dann als Forderung der Oppositionsparteien, endlich mehr aufzunehmen.

Foto: Protest gegen Rajoys Sparpolitik in Madrid im Juni 2016

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The Forthcoming EU Referendum In The UK Grabs Headlines Across The Global Media

Quelle: Getty Images

Alle Parteien waren sich einig: Großbritannien sollte in der EU bleiben. Der drohende Brexit spielt deshalb kaum eine Rolle in den Wahldebatten, ein "Ansteckungseffekt" ist auch jetzt nicht zu befürchten. Spürbar wird ein EU-Austritt der Briten in Spanien aber durchaus. Ein Sieg der Leave-Bewegung würde in wirtschaftlicher Hinsicht "die schlimmstmögliche Nachricht in vielen Jahren" bedeuten, sagte Regierungschef Rajoy El Pais vor der Abstimmung. Nach dem Austrittsvotum betonte er jedoch, dass Spanien auf die wirtschaftlichen Turbulenzen vorbereitet sei, die der Brexit erzeuge.

Interessant werden könnte es in Sachen Gibraltar. Das britische Überseegebiet findet sich nämlich, wenn der Brexit vollzogen wird, plötzlich jenseits der EU-Außengrenze wieder - und kann nicht zwangsläufig auf ein Entgegenkommen Spaniens zählen. Die konservative Regierung in Madrid hat bereits angekündigt, dann die Grenze dicht zu machen - und nur gegen ein Mitspracherecht wieder zu öffnen. Die Sozialisten zeigen sich hingegen dialogbereit.

Foto: Das Thema Brexit auf den Titelseiten spanischer Zeitungen

© SZ.de/odg
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