Neuseeland:Unschuldig im Fadenkreuz

Facebook-Daten, Gespräche über Probleme gemeinsamer Freunde, Bankabrechnungen und sogar Einkaufslisten: Der US-Geheimdienst NSA soll mithilfe des Prism-Programms Neuseeländer ausspioniert haben.

Von Johannes Boie

Der 17. Juli 2012 war kein guter Tag für Tony Fullman, einen eingebürgerten Neuseeländer, 1965 auf den Fidschi-Inseln geboren. Um sieben Uhr morgens durchsuchten Geheimdienstmitarbeiter eine seiner Wohnungen, während australische Beamte Amtshilfe leisteten und die Wohnung von Fullmans Schwester in Sidney filzten. Der Vorwurf gegen den Menschenrechtaktivisten war erheblich. Er solle ein Terrorist sein, der einen Umsturz in seinem Geburtsland herbeiführen wolle. Es dauerte neun Monate, bis die Geheimdienstler eingestanden, was Fullman von Anfang an beteuerte: An der Geschichte ist nichts dran.

Einem Bericht des neuseeländischen Fernsehsenders TVNZ und der amerikanischen Webseite The Intercept zufolge, ist jetzt allerdings klar, dass es im Rahmen der Aktionen gegen Fullman zu einem ganz besonderen Gesetzesverstoß gekommen ist. Die Journalisten haben Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden analysiert. Sie schreiben, Fullman sei vom amerikanischen Geheimdienst NSA mit dem Programm Prism ausspioniert worden, die Daten seien dann mit den Neuseeländern geteilt worden. Prism ist eines der umstrittensten Geheimdienstprogramme in den USA. Nach Angaben von Snowden helfen im Rahmen von Prism Konzerne wie Google, Microsoft, Facebook, Yahoo und Apple der NSA, die Kommunikation von Privatpersonen im In- und Ausland detailliert zu überwachen.

Facebook-Daten, Gespräche über Freunde, Bankabrechnungen und Einkäufe wurden ausgespäht

Wie TVNZ schreibt, ist Fullman die erste Zielperson von Prism, deren Name bekannt wurde. Fullman gehöre zu einer Gruppe von 88 Neuseeländern, die in der Folge auch vom neuseeländischen Geheimdienst Government Communications Security Bureau (GCSB) umfassend überwacht wurden. Dem GCSB soll es zu diesem Zeitpunkt nicht erlaubt gewesen sein, Bürger im Inland auszuspionieren. Insgesamt sollen 200 Nachrichten von Fullman über das Prism-System mitgeschnitten worden sein; alleine die Kommunikation mit einem Bekannten umfasst 195 Seiten, die die Journalisten ausgewertet haben. Darunter sind detaillierte private Informationen, Facebook-Daten, Gespräche über Probleme gemeinsamer Freunde, Bankabrechnungen und dementsprechend auch einer Liste seiner Einkäufe.

Details lieferten die Amerikaner in Word-Dateien an ihre neuseeländischen Kollegen. Die neuseeländischen Journalisten zitieren eine Quelle, nach der die Agenten 2012 ganz aus dem Häuschen gewesen seien, endlich mit Prism-Hilfe einen Terroristen fangen zu können. Fullman spürt die Folgen bis heute: An Flughäfen wird er gesondert durchsucht.

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