Neuseeland:Glückshaushalt

Mit einem eigenen Etat will die Regierung das Wohlbefinden der Bevölkerung erhöhen. Denn trotz allem hat Neuseeland eine der höchsten Selbstmordraten der Welt.

Von Jacqueline Lang

Neuseeland ist eines der glücklichsten Länder der Welt. Das zumindest besagt eine aktuelle Studie der Vereinten Nationen, wonach Neuseeland auf Platz acht der glücklichsten Länder liegt. Laut dem Internationalen Währungsfonds soll die Wirtschaft Neuseelands 2019 zudem um 2,5 Prozent wachsen, im Jahr 2020 um 2,9 Prozent. Doch längst nicht alle Neuseeländer sind sehr zufrieden, längst nicht alle profitieren vom Wohlstand.

Damit sich das ändert hat die sozialdemokratische Premierministerin Jacinda Ardern nun im Haushalt erstmals ein Budget für "Wellbeing", Wohlbefinden, geplant. Damit ist Neuseeland nach eigenen Aussagen das weltweit erste Land, das die Zufriedenheit seiner Bürger als Messwert für den Wohlstand des Landes einführt.

Das am Donnerstag erstmals vorgestellte Budget soll unter anderem für die Bekämpfung von Kinderarmut, häuslicher sowie sexueller Gewalt und von Obdachlosigkeit eingesetzt werden. Ebenso sind für die Förderung von mehr Gleichberechtigung der indigenen Bevölkerung, Innovationen im Bereich erneuerbare Energien und Digitalisierung finanzielle Mittel vorgesehen. Der Fokus liegt aber vor allem auf psychischen Erkrankungen und einer besseren Versorgung psychisch kranker Menschen, vor allem jenen unter 24 Jahren. Die Selbstmordrate bei jungen Menschen ist in Neuseeland laut Berichten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unter den höchsten weltweit.

Allein für die Selbstmordprävention sind daher 40 Millionen australische Dollar mehr vorgesehen. Ein neues Hilfsangebot für psychisch Kranke soll mit 455 Millionen Dollar bis 2023/2024 insgesamt 325 000 Menschen erreicht haben. Eine Milliarde australische Dollar ist für den Ausbau der Kiwirail, die staatliche betriebene Bahn, vorgesehen, 1,7 Milliarden Dollar sollen die Krankenhäuser im Land in den kommenden zwei Jahren auf den neusten Stand bringen und 106 Millionen Dollar sollen in Innovationen für einen Übergang in eine CO₂-arme Zukunft fließen.

Vorgesehen ist auch, die indigenen Sprachen zu bewahren, die Trinkwasserqualität zu verbessern, sowie Bauern bei den Herausforderungen des Klimawandels durch den Einsatz von Wissenschaft zu unterstützen. Wie viel Geld hierfür zur Verfügung stehen soll, lässt das Budget jedoch noch offen. Die einzelnen Minister sollen nun gemeinsam Finanzierungsvorschläge für Initiativen erarbeiten, die der Bevölkerung im Hinblick auf die festgelegten Ziele dienen.

Eine Wirtschaft, die auf Kosten ihrer Bevölkerung wachse und Menschen zurücklasse, werde am Ende niemanden nützen, sagte Ardern: "Wir müssen damit anfangen, unseren Erfolg anders zu messen." Produktivität und wirtschaftliches Wachstum dürften nicht mehr die einzigen Maßstäbe sein.

Am Dienstag sprach die Regierung zwischenzeitlich von einem Hackerangriff, schließlich wurde bekannt, dass einige Zahlen aus Versehen zu früh auf die Homepage gestellt worden waren und die Opposition die Informationen so schon vorab erhalten hatte. Der Anführer der konservativen National Party Simon Bridges deutete dies und das, wie er sagt, "verpfuschte Budget" als Beweis für die Unfähigkeit der Regierung. Seine Parteikollegin Amy Adams sagte, das Wohlstandsbudget sei nichts weiter als eine "Marketingkampagne". Eine Kampagne, die, so viel steht zumindest schon fest, für einige Neuseeländer bereits zu spät kommt: Vicky Freeman etwa, deren Bild auf der Budgetbroschüre zu sehen ist, hat ihr Heimatland längst verlassen - weil sie es sich als alleinerziehende Mutter nicht mehr leisten konnte, in Auckland zu leben. Sie ist nach Australien gezogen.

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