Neuseeland:Das ist die jüngste Regierungschefin der Welt

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Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hat viele Probleme zu lösen - und zwei Verbündete, die sich gegenseitig nicht mögen. (Foto: Getty Images)

Jacinda Ardern wurde erst vor drei Monaten Parteichefin, jetzt ist sie Neuseelands Premierministerin. Ihre wichtigste Aufgabe: die soziale Spaltung des Landes verhindern.

Von Lilith Volkert

Wie viele Frauen bekam Jacinda Ardern ihre Chance, als die Männer um sie herum nicht mehr weiter wussten. Im August übernahm sie den Vorsitz der sozialdemokratischen Labourpartei Neuseelands von einem entmutigten Spitzenkandidaten; in Umfragen lag die Partei 20 Prozent hinter den Konservativen. Unter Ardern holte sie bis zur Parlamentswahl am 23. September deutlich auf. Inzwischen ist die 37-Jährige die jüngste Premierministerin, die das Land je hatte. Und die derzeit jüngste Frau der Welt, die eine Regierung führt.

Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie am Montag bei seinem Besuch in Wellington trifft, dürfte ihm der Unterschied zwischen Deutschland und dem Inselstaat im Südpazifik bewusst sein. Auch die SPD hat mit dem Blick auf die Umfragen relativ kurz vor der Bundestagswahl den Parteichef gewechselt. Vergeblich: Unter Martin Schulz bekamen die Sozialdemokraten das schlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte.

Viele trauen ihr zu, mit Problemen und Koalitionspartnern fertig zu werden

Ardern hingegen konnte verhindern, dass die bisher regierende National-Partei eine absolute Mehrheit bekam, und in wenigen Wochen eine Koalition bilden. Sie steht nun vor der Herausforderung, die zunehmende soziale Spaltung in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig muss sie zwei als schwierig geltende Partner im Zaum halten - die nationalpopulistische Partei New Zealand First (NZF) und die Grünen. Viele trauen ihr genau das zu.

Nach Barack Obama, Justin Trudeau und Emmanuel Macron ist Ardern der nächste politische Popstar an der Spitze eines Staates: Jung, gutaussehend und ungewohnt lässig für einen Berufspolitiker. Dabei ist Ardern alles andere als eine Quereinsteigerin. Sie ist Mitglied der Arbeiterpartei, seit sie 17 Jahren alt ist. Die Kommunikationswissenschaftlerin arbeitete schon für den britischen Premier Tony Blair und Neuseelands Regierungschefin Helen Clark, sie war Präsidentin der Internationalen Union der Sozialistischen Jugend. Seit 2008 sitzt sie im Parlament.

Arderns Eltern sind Mormonen, sie selbst ist aus der Kirche ausgetreten. Sie lebt mit einem Fernsehmoderator zusammen, ist Hobby-DJ und twittert im Namen ihrer Katze Paddles. Und findet, wenn es nötig ist, deutliche Worte. Einen Radiomoderator, der sie nach ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden nach einem möglichen Kinderwunsch fragte, fertigte sie resolut ab: Es sei absolut inakzeptabel, dass Frauen im Jahr 2017 solche Fragen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit gestellt würden. Beobachter sehen in der Debatte um das Interview einen der Gründe für die "Jacindamania", die Begeisterung vieler für die Politikerin.

Im Wahlkampf versprach Ardern Maßnahmen gegen die Wohnungsnot (mehr als 40 000 der 4,7 Millionen Einwohner haben kein Dach über dem Kopf), gegen Kinderarmut und für bessere, bezahlbare Bildung. Sieht man sich an, wie viele Menschen im Niedriglohnsektor arbeiten oder obdachlos sind, dann sei der Kapitalismus "ganz offensichtlich gescheitert", sagte Ardern vor kurzem. Außerdem will sie die Einwanderung von derzeit gut 70 000 Personen im Jahr um mindestens 20 000 reduzieren.

Ardern erfuhr aus dem Fernsehen, dass sie Premierministerin wird

Hier trifft sie sich mit Winston Peters, dem Parteichef von NZF. Der Nationalpopulist hatte nach der Wahl mit den siegreichen Konservativen und der zweitplatzierten Arbeiterpartei verhandelt. Er entschied sich für ein Bündnis mit Labour, die seit fast einem Jahrzehnt in der Opposition ist. Pikanterweise erfuhr Ardern davon wie alle anderen aus dem Fernsehen.

Peters, der das Amt des Außenministers übernimmt, war schon Königsmacher mehrerer Regierungen. Mit den Grünen will der 72-Jährige nicht zusammenarbeiten, weshalb diese auch nicht offiziell Teil der Koalition werden, sondern diese nur mit ihren Stimmen unterstützen. Kritiker bemängeln, dass Peters zu viel Macht inne hat für jemanden, dessen Partei sieben Prozent der Stimmen bekommen hat. Sicher ist, dass es für Ardern nicht leicht wird, ihr Bündnis zusammenzuhalten.

Schon in den nächsten Tagen möchte die Premierministerin durchsetzen, dass Ausländer in Neuseeland keine Immobilien mehr erwerben dürfen. Die Preise sind durch Spekulanten zuletzt extrem gestiegen, alleine im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent. Anschließend möchte sie das transpazifische Freihandelsabkommen TTP neu verhandeln. Das Wirtschaftsmagazin Forbes setzt Jacinda Ardern schon jetzt auf Platz 38 seiner Liste der 100 mächtigsten Frauen - 27 Plätze vor Hillary Clinton.

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