Neujahrspredigten der Bischöfe:Gegen eine verlotterte Moral

"Enttäuscht von Verantwortlichen in der Wirtschaft": In ihren Silvesteransprachen kritisieren die deutschen Bischöfe den Finanzsektor - und werben für freie Zeit.

In einem waren sich die Bischöfe in ihren Ansprachen und Predigten zum neuen Jahr einig: Die Deutschen sollten über ihren Lebensstil nachdenken - und darüber, was am Ende bleibt.

Bischöfe zu Silvester; ddp

Der Mainzer Bischof Karl Lehmann forderte zu einem bewussten Umgang mit der Zeit auf. Im Bild ist er bei einem Gottesdienst zu sehen. (Archiv).

(Foto: Foto: ddp)

Die Dominanz des wirtschaftlichen Denkens, Umweltschutz, freie Sonntage und der Umgang mit der Finanzkrise waren die konkreten Themen, die die Geistlichen ansprachen.

Die Erzbischöfe von München und Bamberg, Reinhard Marx und Ludwig Schick, beklagten eine zunehmende Dominanz rein wirtschaftlichen Denkens. "Eine Gesellschaft, die materielle Verbrauchsgüter ins Zentrum stellt, verliert ihre Kultur", sagte Marx laut vorab veröffentlichten Auszügen seiner Silvesterpredigt in München. Schick sieht die gegenwärtige Krise auch als Folge einer verlotterten Moral und eines schlampigen Umgangs miteinander. "Wie kommt es, dass unsere Moral so verlottert und unser Umgang miteinander so schlampig geworden ist? Wir haben die Botschaft von der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth noch nicht verstanden", sagte er laut Manuskript.

Glaube in Öffentlichkeit rücken

Marx, der in der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen ist, sprach von einer Ökonomisierung, die sich in den vergangenen Jahren als "Ideologie des ständig wachsenden materiellen Reichtums" breitgemacht habe. Für Christen gelte es, das Gebet dagegen zu setzen. Der 2. Ökumenische Kirchentag, den Katholiken und Protestanten im Mai gemeinsam in München feiern, sei eine Chance, den Glauben in die Öffentlichkeit zu rücken.

Schick kritisierte, dass in Deutschland Bürokratie oft Vorrang vor Menschen habe. "Wenn Politikern bei Kindergartengesetzen, Kranken- und Pflegeversicherungsreformen die Dokumentation, Prüfungen und Verwaltung wichtiger sind als die Kinder, Kranken und Alten selbst, dann stimmt etwas nicht", sagte er im Bamberger Dom laut Predigt-Text.

Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise rief Schick zu Entschlossenheit auf. "Krisen rufen nach Bekehrung und verbieten Resignation." Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz kritisierte auch das Scheitern des Weltklimagipfels Anfang Dezember in Kopenhagen und das Ergebnis des Welternährungsgipfels kurz zuvor in Rom. Auch dort hätten nicht die Menschen im Mittelpunkt gestanden, sondern nationale Wirtschaftsinteressen.

In diese Kerbe hieb auch Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz: Es sei schmerzlich und enttäuschend, dass es in Kopenhagen nicht gelungen sei, ein verbindliches Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll zu beschließen. In der Verantwortung sieht er aber nicht nur die Politiker: "Es braucht einen maßvollen und verantwortungsbewussten Lebensstil", sagte der Erzbischof beim Silvestergottesdienst im Freiburger Münster laut Predigtmanuskript. "Wer die Natur, ja die ganze Schöpfung dankbar als Geschenk des Schöpfers annimmt, spürt, dass er dem Schöpfer, aber auch allen Mitmenschen gegenüber verantwortlich ist", sagte Zollitsch. Es komme auf jeden kleinen Schritt der Sorge und des Respekts an, "damit nicht eines Tages ein großer Schritt zur Zerstörung geschieht".

Zeiten der Besinnung

Zollitsch warb außerdem für den Schutz des Sonntags. Die Menschen bräuchten regelmäßig Zeiten der Besinnung und Vergewisserung: "Sonst fließen die Tage des Jahres nur noch gleichmäßig dahin." Für viele unterscheide sich sogar der Werktag vom Sonntag nicht mehr. "Doch wer nur noch Werktage kennt, gleicht einem Menschen, der sich an einem endlosen Seil zu Tode zieht", sagte Zollitsch.

"Wir leben in den Tag hinein"

Auch der Mainzer Bischof Karl Lehmann rief zum Jahresende zu einem bewussten Umgang mit der Zeit auf. "Wir leben gewöhnlich in den Tag hinein, als ob unser Leben mehr oder minder endlos weitergeht. Zwar kann uns ein Unglück oder ein Unfall völlig aus der Bahn reißen. Aber in vielem rechnen wir geradezu selbstverständlich mit einem täglichen Weitergehen", sagte der Kardinal laut Manuskript in der Jahresschlussandacht am Donnerstag im Mainzer Dom. Dies ergebe gerade in der Hektik ein spannungsloses, gleichgültiges Leben, "das kaum mehr qualitative Höhepunkte zulässt, eher nur ein quantitatives Mehr".

Kardinal Meisner kritisierte in seiner Silvesterpredigt die Top-Manager scharf: "Wenn wir über die Kirche in unsere Umwelt hineinschauen, dann sind wir zutiefst enttäuscht von manchen Verantwortlichen in der Wirtschaft und auf dem Finanzsektor, die nicht verantwortlich gehandelt haben und darum vielen Menschen großen materiellen Schaden zugefügt haben", sagte der 76-Jährige nach einem vorab verbreiteten Redetext im Kölner Dom.

Papst Benedikt XVI. rief die Christen in aller Welt zu Solidarität mit Menschen in Not auf. Der Papst erinnerte bei der Vesper im Petersdom am Donnerstag an die Familien, die unter der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit litten. Vielen sei bereits geholfen worden, doch müssten die Anstrengungen im neuen Jahr fortgesetzt werden, sagte er weiter.

Der katholische Bischof Franz-Josef Bode sagte in seiner Silvesterpredigt im Osnabrücker Dom, die Frage nach Gott sei aktueller denn je. "Ich bin überzeugt, dass unser christlicher Glaube den großen Sehnsüchten der heutigen Zeit weit mehr entgegenkommt, als viele vermuten und dass dieser Glaube deshalb auch leben hilft.".

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