Süddeutsche Zeitung

Neues NPD-Verbotsverfahren:Vierzehn Fürsprecher, zwei Zweifler

Kommende Woche werden sich die Ministerpräsidenten in Berlin voraussichtlich auf einen neuen NPD-Verbotsantrag einigen - nur Hessen und das Saarland zögern noch. Doch auch sie werden sich dem Druck der Befürworter vermutlich nicht entziehen können.

Von Susanne Höll, Berlin

Politiker von SPD, Grünen und Union - unter ihnen auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) - erwarten in der kommenden Woche einen ersten Grundsatzbeschluss zugunsten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens. Man rechne damit, dass sich die Ministerpräsidenten bei ihrer Konferenz am Donnerstag in Berlin darauf verständigen, im Bundesrat einen neuerlichen Verbotsantrag zu beschließen. Der Antrag könnte dann womöglich bereits am 14. Dezember gestellt werden.

Zuvor hatte auch die CDU-geführte Regierung von Niedersachsen, die bisher skeptisch war, ihren Widerstand gegen einen neuen Anlauf aufgegeben. Die Ministerpräsidenten von Hessen und dem Saarland, Volker Bouffier und Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU), haben zwar noch Bedenken. Sie zweifeln an den Erfolgsaussichten des Antrags. Unionspolitiker gehen aber davon aus, dass die beiden sich dem Druck der Befürworter nicht entziehen können - auch, weil sie sich sonst dem Vorwurf aussetzen würden, im Kampf gegen den Rechtsextremismus inkonsequent zu sein.

Ein erstes Signal für einen Neuanlauf wird vom Treffen der Länder-Innenminister am Mittwoch in Warnemünde ausgehen, die - allen individuellen Bedenken zum Trotz - eine einmütige Empfehlung für ein Verfahren abgeben dürften.

Ob sich auch die beiden anderen antragsberechtigten Verfassungsorgane, Bundesregierung und Bundestag, an dem Antrag beteiligen wie schon 2002, als das erste Verbotsverfahren scheiterte, ist offiziell noch offen. Aber selbst Skeptiker wie der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses Wolfgang Bosbach (CDU) haben keinen Zweifel, dass sich Regierung und Parlament aus politischen Erwägungen anschließen werden.

"Alle drei Verfassungsorgane sollten klagen"

"Wenn ein solcher Antrag in den Bundestag kommt, wird er mit einigen Nein-Stimmen und Enthaltungen angenommen", sagte Bosbach, der aus Sorge vor einem neuerlichen Scheitern von einem zweiten Verfahren grundsätzlich abrät. Dass der Bundesrat allein nach Karlsruhe ziehe, könne er sich auch angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl nicht vorstellen. Allerdings hänge das Urteil der Verfassungsrichter nicht von der Zahl der Antragsteller, sondern von der Qualität der Argumente ab, fügte Bosbach hinzu.

Im Bundestag dürfte sich insbesondere die SPD für einen neuen Anlauf einsetzen. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Thomas Oppermann sagte: "Gegen die NPD sollten wir große Entschlossenheit demonstrieren: Alle drei Verfassungsorgane sollten klagen."

Kanzlerin Merkel steht einem zweiten Antrag bislang sehr reserviert gegenüber. Ebenso geht es Bundesinnenminister Friedrich, der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), bedeutsamen Teilen der Regierungsfraktionen und auch manchen Grünen. Grund ist die Sorge vor einer abermaligen Niederlage vor Gericht.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte Mitte November, für den deutschen Staat entstünde erheblicher Schaden, wenn die demokratischen Institutionen dieses Landes zweimal hintereinander beim höchsten Gericht mit dem Versuch scheitern, die Verfassungswidrigkeit der NPD feststellen zu lassen.

Bessere Beweise als 2002

Die Innenminister von Bund und Ländern erklärten, sie seien diesmal besser auf das Verfahren vorbereitet als beim ersten Mal. Seit Monaten haben sie Materialien gesammelt, die die Verfassungswidrigkeit und aggressiv-kämpferische Grundhaltung der NPD vor Gericht beweisen sollen. Anders als beim ersten Verbotsantrag finden sich darin angeblich keine Aussagen von Spitzeln des Verfassungsschutzes. An solchen Quellen war das erste Verfahren 2002 gescheitert.

Auch Skeptiker unter den Innenministern halten die Beweissammlung für Erfolg versprechend. Sie wollen auf deren Grundlage in Warnemünde ihre Empfehlung abgeben. Friedrich, aber auch einige Länderminister befürchten allerdings neben Prozesshürden, dass ein neues Verbotsverfahren der darbenden NPD neue Aufmerksamkeit und neuen Zulauf bringen könnte.

Ein Verbotsantrag wird nach Angaben aus Sicherheitskreisen erst im Frühjahr nächsten Jahres zu erwarten sein. Eine Entscheidung der Karlsruher Richter vor der Bundestagswahl im September 2013 gilt als ausgeschlossen.

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SZ vom 01.12.2012/gal
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