Neues Islamgesetz in Österreich:Unter dem Schleier des Misstrauens

Protest in Vienna

Demonstranten protestieren vor dem Nationalrat in Wien gegen das neue Islamgesetz.

(Foto: dpa)
  • Im Wiener Parlament wird über ein neues Islamgesetz abgestimmt.
  • Befürworter halten es für einen Fortschritt in der Integration von Muslimen, da es viele Rechte für die Glaubensgemeinschaft enthält wie etwa islamische Friedhöfe, Seelsorge in staatlichen Einrichtungen und islamische Feiertage.
  • Kritiker sehen das Gesetz als "Misstrauensvotum" und stoßen sich vor allem an der darin enthaltenen Pflicht zu einem expliziten Bekenntnis zu Staat und Gesetz, wie es sonst für keine andere Religion gilt.
  • Die Union in Deutschland ist von dem Ansatz in Österreich sehr angetan.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Inan Türkmen hat türkisch-kurdische Wurzeln, der Österreicher gehört der muslimischen Glaubensrichtung der Aleviten an. Vor zwei Jahren hat der Student viel Aufsehen erregt mit dem Büchlein "Wir kommen". Darin droht er, dass die Türken auf ihrem Marsch nach Österreich nicht aufzuhalten seien. Das Buch war auch ein Bestseller, weil es vom tagtäglichen Rassismus gegen alle erzählt, die türkisch oder arabisch, irgendwie dunkel und fremd aussehen - und mutmaßlich Muslime sind.

Das alles sei heute noch viel schlimmer geworden, betont er, seit der islamistische Terror Europa erreicht habe, seit der IS im Nahen Osten und Boko Haram in Afrika morde. Es gab die Attentate in Paris, Kopenhagen, Brüssel. Und die Behörden haben mit Entsetzen festgestellt, dass sich junge Muslime von Österreich aus überdurchschnittlich häufig dem Dschihad anschließen. Misstrauen überall.

Und nun wird an diesem Mittwoch im Wiener Parlament ein neues Islamgesetz beschlossen. Klar, dass es trotz guten Willens von allen Seiten vor allem unter einem Blickwinkel beleuchtet wird: Wie hält es Österreich mit seinen Muslimen?

Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz, der für die große Koalition aus SPÖ und ÖVP spricht, betont demonstrativ: "Der Islam gehört zu Österreich." Das Gesetz sei keine kurzatmige Reaktion auf IS-Terror und Anschläge wie jene von Paris, sondern ein langfristiger Beitrag dazu, dass sich gläubige Muslime als selbstbewusste Österreicher fühlen könnten. Was da beschlossen werde, könne gar eine Vorreiterrolle für Europa haben. Und tatsächlich: In der CDU/CSU wird bereits darüber debattiert, was man übernehmen könnte.

In Österreich mit seinen knapp neun Millionen Einwohnern leben heute etwa 570 000 Muslime. Aber schon seit 1912, damals notwendig geworden durch Habsburgs Annexion von Bosnien-Herzegowina mit seiner muslimischen Bevölkerungsmehrheit, gibt es ein Islamgesetz. Es war damals einzigartig in Europa und erkannte die Muslime als Religionsgemeinschaft an und erlaubte ihnen die Selbstverwaltung. Aber es war stark renovierungsbedürftig, das bestätigt die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, (IGGiÖ), die seit 1979 als anerkannte Religionsvertretung Hauptansprechpartner des Staates ist.

Den Vorrang des Staates vor der Scharia festschreiben

Die Novelle enthält radikale Veränderungen und prägt damit das im Habsburger Reich der vielen Völker und vielen Religionen gewachsene Verhältnis von Muslimen und katholisch dominierter Mehrheit neu. Von einem "Misstrauensschleier", der über den 33 Paragrafen ausgebreitet sei, spricht Richard Potz vom Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht in Wien, Experte und Gutachter in Sachen Islamgesetz: Muslime würden zu einem expliziten Bekenntnis zu Staat und Gesetz gezwungen. Das gelte so für keine andere Religion. Denn ein zentraler Satz lautet: "Es muss eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat bestehen." Eine Selbstverständlichkeit? In der Regierung heißt es, indem man den Vorrang des Staates vor der Scharia festschreibe, verhindere man, dass Islam und Islamismus in einen Topf geworfen würden.

Drei Vorgaben sind es vor allem, die eine heiße Debatte ausgelöst haben. In Zukunft dürfen islamische Einrichtungen sich nicht mehr auf Dauer aus dem Ausland finanzieren. Damit solle Kontrolle und Einfluss unterbunden werden, wie sie etwa die Religionsbehörde in Ankara ausübe. Derzeit etwa zahlt diese die Gehälter von mehr als 60 türkischen Imamen in Österreich. Spenden und Stiftungen nach österreichischem Recht seien aber weiter möglich, betont Kurz.

Zudem sollen Imame in Zukunft in Österreich ausgebildet werden und dort ihren Lebensmittelpunkt haben; Imame, die oft nur für ein paar Monate "eingeflogen" werden, soll es nicht mehr geben. Für die inländische Ausbildung sollen islamisch-theologische Studiengänge aufgebaut werden. Außerdem muss jede Religionsgemeinschaft eine "Darstellung ihrer Lehre und wesentlichen Glaubensinhalte" vorlegen - und das auf Deutsch, denn das "sei nun mal Amtssprache".

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