Vertriebenen-Chefin:Steinbach beleidigt polnischen Deutschland-Beauftragten

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"Schlechter Charakter, ohne Wenn und Aber": Die CDU-Politikerin attackiert den früheren Auschwitz-Häftling Wladyslaw Bartoszewski. Es ist nicht ihre erste Fehde mit dem Deutschland-Experten der polnischen Regierung.

Die umstrittene Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach sorgt erneut für Wirbel im deutsch-polnischen Verhältnis. Die CDU-Abgeordnete sagte im ARD-Morgenmagazin, der Deutschland-Beauftragte der polnischen Regierung, Wladyslaw Bartoszewski, habe "einen schlechten Charakter". Dies sage sie "ohne Wenn und Aber".

Neuer Wirbel um Erika Steinbach: Die CDU-Politikerin greift den Deutschland-Beauftragten der polnischen Regierung an - und attestiert ihm einen "schlechten Charakter". (Foto: dapd)

Zur Begründung sagte Steinbach, sie habe den 88-jährigen früheren polnischen Außenminister zunächst sehr bewundert. Nun sei sie aber enttäuscht, weil sie ihm viele Briefe geschrieben, aber nie Antwort erhalten habe. Sie habe viel Verständnis für die Emotionen in Polen und alle Opfer der deutschen Besatzung hätten ihr tiefes Mitgefühl, doch manche Einzelpersonen schätze sie nicht. Der 88-jährige Bartoszewski war von den Nazis ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt und im April 1941 schwer krank entlassen worden.

Die jüngste Äußerung ist die Fortsetzung eines seit langem währenden Streites zwischen der CDU-Politikerin, die zuletzt mit Äußerungen über die polnische Mobilmachung für Wirbel sorgte, und dem polnischen Historiker, den selbst Freunde als "Temperamentsbrocken" beschreiben, der mitunter "explodiert".

Vergleich mit Holocaust-Leugner Williamson

Bartoszewski hatte vor eineinhalb Jahren gepoltert, eine Mitgliedschaft Steinbachs im Beirat der Berliner Vertriebenenstiftung wäre so, als ob der Vatikan den Holocaust-Leugner Richard Williamson als Nuntius nach Israel schicken würde.

Dieser Angriff hatte Steinbach sehr verletzt. Die Tatsache, dass sie viele Jahre deutsch-israelischen und christlich-jüdischen Gremien angehört hatte, findet in der polnischen Presse kaum Beachtung. Steinbach dient hier als Feindbild, was manche polnische Intellektuelle kritisch sehen. Die Süddeutsche Zeitung berichtete vor einem Jahr über eine Veranstaltung an einer Krakauer Hochschule, auf der ein Professor feststellte: "Es gibt bei uns eine Steinbach-Psychose, die uns in ein paar Jahren peinlich sein wird."

Der Streit um Steinbach hatte begonnen, als sie 1998 nach ihrer Wahl zur BdV-Vorsitzenden erklärte, Warschau müsse wenigstens symbolisch eine Entschädigung für die Vertreibung von Millionen Deutschen aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße leisten. Sonst müsse Berlin den Beitritt Polens zur EU blockieren. Ausgerechnet Bartoszewski hatte sie damals verteidigt. Er erklärte, es sei doch offensichtlich, dass es sich nur um Rhetorik handele, die dazu diene, die Position Steinbachs gegenüber der Altherrenriege im BdV zu festigen. Er halte sie für eine rationale Person, mit der man reden solle.

Deutsche Politiker verteidigten Bartoszewski: Außenminister Guido Westerwelle lobte ihn am Rande des EU-Gipfels in Brüssel: "Wir schätzen Herrn Bartoszewski als eine sehr ehrenwerte Persönlichkeit. Er hat eine sehr große Lebensleistung vollbracht, vor allem was die Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen angeht."

Wesentlich heftiger fiel die Reaktion der Opposition aus: "Für uns ist sie nicht tragbar", sagte der Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir über Steinbach. "Ich nehme sie nicht ernst und ich sage alle meinen polnischen Freunden: Ignoriert das, lest nichts, was die Frau sagt."

Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, Erika Steinbach wolle nicht versöhnen, sondern spalten: "Sie betätigt sich als Giftmischerin in den deutsch-polnischen Beziehungen." Roth forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich von Steinbach zu distanzieren.

Ähnlich äußerte sich auch SPD-Fraktionsvize Gernot Erler: Die Kanzlerin müsse dafür sorgen, dass Steinbach das deutsch-polnische Verhältnis "nicht noch stärker" vergifte. Die BdV-Präsidentin bezeichnete er als "unbelehrbar, unverfroren, unerträglich".

Steinbach will in Fraktionsvorstand aktiv bleiben

Steinbach betonte in der ARD, sie wolle weiter Mitglied im Vorstand der Unions-Bundestagsfraktion bleiben. Ihr Ziel sei es, in der Union Nachdenken auszulösen, denn viele Parteimitglieder hätten "Besorgnisse, Ängste und ein Gefühl der Heimatlosigkeit". Auch sie persönlich wünsche sich ein "Gefühl der Geborgenheit", doch sei Solidarität innerhalb der CDU leider nicht weit verbreitet.

Auf die Frage, ob sie sich einer neuen Partei mit konservativem Profil zuwenden wolle, sagte Steinbach, dies könne sie sich derzeit nicht vorstellen. Es gebe aktuell keine neue Partei, die sie locken könnte. Steinbach hatte erst vor einer Woche einen Proteststurm entfacht. Mit dem Satz "Ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat", sorgte die CDU-Politikerin auf einer Klausurtagung der Unions-Fraktion für Aufregung.

© sueddeutsche.de/dpa/Ap/Reuters/mati/jab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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