Die US-Republikaner müssten eigentlich vor Kraft kaum laufen können. Sie haben die Mehrheit im US-Kongress und stellen den Präsidenten. Sie könnten Steuern senken, den Einfluss des Staates auf den Alltag der Bürger begrenzen und Obamacare abschaffen. Doch bei der Pressekonferenz am Morgen muss Paul Ryan, der Speaker des Repräsentantenhauses, betonen: "Folter ist illegal." Senator Mitch McConnell ergänzt: "Der neue CIA-Chef wird sich an die Gesetze halten."
Dass Ryan und McConnell so etwas klarstellen müssen, liegt an Donald Trump. Der US-Präsident hatte im TV-Sender ABC erklärt, dass er "absolut" an die Wirksamkeit von Foltermethoden wie Waterboarding glaube. Trump hält am Mittag eine Rede auf der Klausursitzung der republikanischen Abgeordneten und Senatoren in Philadelphia. Danach geht es genauso weiter: Alles dreht sich um die gesprochenen und getwitterten Aussagen des 70-Jährigen.
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Steve Bannon macht klar, dass er Journalisten als Feinde ansieht. Der frühere Breitbart-Chef sagt der "New York Times": "Haltet den Mund und hört zu." Damit positioniert sich Bannon im internen Machtkampf.
Anstatt über Sachpolitik zu sprechen, werden die Republikaner nach der Grenzmauer zu Mexiko und dem abgesagten Treffen mit Präsident Enrique Peña Nieto gefragt. Droht ein Handelskrieg? Ein Trump-Sprecher bringt eine 20-Prozent-Einfuhrsteuer ins Spiel, um die Mauer zu finanzieren. Das lehnen Senatoren wie Lindsey Graham ab, weil dies nur zu höheren Preisen für die Konsumenten führe. Das Weiße Haus rudert zurück: "Nur eine Option unter vielen."
Trump zwingt den Republikanern seine Themen auf
Die ersten sechs Tage - ja, es sind tatsächlich erst sechs - von Trumps Regierung hat die Ahnung vieler Republikaner bestätigt: Donald Trump ist kein echter Konservativer, ja noch nicht mal ein echter Politiker. Er bleibt weiter im Kandidaten-Modus, attackiert in alle Richtungen, äußert krude Ideen. Unter anderem schlug er vor, den angeblichen Betrug bei der Präsidentschaftswahl untersuchen zu lassen. "Dafür gibt es keine Beweise. Lasst uns beginnen, dieses Land zu regieren", flehte Nevadas republikanischer Gouverneur Brian Sandoval.
Dass nun bekannt wird, dass Trump-Schwiegersohn Jared Kushner, Sprecher Sean Spicer sowie Trump-Tochter Tiffany in jeweils zwei Staaten als Wähler registriert sind, ist peinlich, fällt aber im Dauer-Spektakel, das der Milliardär liefert, kaum auf. Die republikanischen Abgeordneten wissen, dass Trump ihnen unverhofft die Mehrheit eingebracht hat - und warten ab. Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses, formuliert es bei der Pressekonferenz so: "Es wird eine unkonventionelle Amtszeit werden, das sollten Sie schon bemerkt haben."
Das Beispiel von Paul Ryan, des konservativen Superstars, zeigt deutlich, in welchem Zwiespalt die Republikaner sind. Ryan ist eigentlich für Globalisierung und wirbt auf seiner Website weiter für TPP - jenes Freihandelsabkommen, gegen das Trump im Wahlkampf wetterte und nun per Erlass beerdigte. Ryan verzichtet auf Protest - er hat offenbar entschieden, dass es zwecklos ist.
In Philadelphia schwärmt Trump von den Präsidialdekreten, die er erlassen hat, und wird bejubelt. Dass die Dekrete den Kongress umgehen und die Konservativen Barack Obama für die Verwendung dieser executive orders jahrelang als "Kaiser" beschimpften: egal.
Bisher regt sich kaum Widerstand gegen andere Trump-Ideen. Die 15 - möglicherweise auch 20 - Milliarden Dollar für die Grenzmauer zu Mexiko werde man bewilligen, heißt es. Das große Infrastrukturpaket, mit dem Trump Millionen Jobs schaffen will und das viele Hundert Milliarden Dollar umfasst? Warum nicht, sagen die konservativen Abgeordneten und vergessen, dass sie bis vor Kurzem ähnliche Vorschläge der Demokraten blockiert haben. Es ist alles eine Frage der Perspektive. Die Nähe zur Macht lässt viele Prinzipien in den Hintergrund rücken.
Die erste Machtprobe steht noch aus, also gehen viele in Deckung
Den neuen Präsidenten kümmert es wenig, was die Spitzen seiner Partei sagen. Im Interview mit Fox News am Donnerstagabend schwadronierte er wieder über Foltermethoden: "Ich bin mir sicher, dass es keinen Spaß macht, aber Waterboarding ist keine Folter." Bisher ist noch kein Senator oder Abgeordneter einen Konflikt mit Trump eingegangen (Marco Rubio deutete ein "Nein" gegen Außenminister Tillerson nur an), sodass keiner weiß, wie der Präsident und seine 20 Millionen Twitter-Follower auf parteiinternen Widerstand reagieren. Viele ducken sich weg und warten ab. Der Rest lässt sich von Trumps Rastlosigkeit mitreißen oder jubelt aus echter Überzeugung.
Trotzdem haben viele Republikaner die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den Präsidenten konservativer zu machen und im Gesetzgebungsprozess Einfluss zu nehmen. Das Republikaner-Treffen in Philadelphia ist mit "Congress of Tomorrow" umschrieben und sollte die Ziele für die kommenden zwei Jahre festlegen - auch wenn es momentan eher um Zeitabstände von einigen Stunden geht, um den Abstand zwischen zwei Tweets.
Grenzmauer:USA und Mexiko: Eskalation im Eiltempo
Neue Runde im Streit um die Grenzmauer: Das Treffen der Präsidenten Trump und Peña Nieto ist abgesagt, das Weiße Haus droht mit einer Importsteuer - und der nächste Konflikt ist bereits abzusehen.
Allerdings gibt es einige, die glaubwürdig versichern, ihre Arbeitsweise nicht anpassen zu wollen. Mitch McConnell, als Mehrheitsführer der mächtigste republikanische Senator mit dem Spitznamen "Schildkröte", erklärt schlicht: "Ich neige nicht dazu, mich täglich zu Kommentaren zu äußern."