Süddeutsche Zeitung

Neuer US-Präsident:Trump will Ex-General Flynn als Sicherheitsberater

Der Mann, der Trumps Außenpolitik steuern soll, vertritt eine radikale Anti-Islam-Haltung. Ansonsten könnte fast jeder Republikaner einen Posten bekommen - auch frühere Gegner.

Von Matthias Kolb, Washington

In dieser Woche hat sich das politische Zentrum Amerikas von der Hauptstadt Washington nach New York verlagert. Im goldenen Trump Tower hält der künftige US-Präsident Hof und überlegt, mit welchen Männern und Frauen er sein Kabinett füllen will. Während unten in der Lobby die Journalisten ausharren, trifft sich Trump oben am Donnerstag nicht nur mit Japans Premier Shinzo Abe, sondern spricht auch mit Ex-Außenminister und Über-Realpolitiker Henry Kissinger ("interessante Gedanken zu China") und Alabamas Senator Jeff Sessions.

Da anschließend per Presse-Statement mitgeteilt wird, dass Trump "unglaublich beeindruckt" sei, rechnen alle damit, dass Sessions ins Kabinett wechseln wird. Die Konservativen müssen in Sessions Fall auch nicht den Verlust eines Sitzes im Senat fürchten - in Alabama wird jeder gewählt, den die Republikaner aufstellen. Trump führt außerdem Gespräche mit Nikki Haley, der Gouverneurin von South Carolina: Als Tochter indischer Einwanderer bringt sie Eigenschaften mit, die Trumps Favoriten (alle weiß, alles Männer) vermissen lassen.

Am Abend berichten diverse Medien, dass der designierte US-Präsident dem ehemaligen Drei-Sterne-General Michael Flynn den Posten des Sicherheitsberaters angeboten habe. Ob der 57-Jährige angenommen hat, ist noch unbekannt. Allerdings hat der Generalleutnant a. D. und ehemalige Chef des Militärgeheimdienstes DIA seit Monaten für Trump Wahlkampf gemacht, auf dem Parteitag Hillary Clinton wüst beschimpft und das Publikum zu lauten "Sperrt sie ein!"-Rufen animiert. Wiederholt nannte er die Demokratin eine "Feindin", der das Leben amerikanischer Soldaten nicht viel wert sei.

Als National Security Adviser hätte Flynn 400 Mitarbeiter unter sich, sein Team würde den US-Präsidenten in Außen- und Sicherheitspolitik beraten. Da Trump sich in den vergangenen Jahrzehnten mehr mit Golfplätzen und Immobilienpreisen beschäftigt hat als mit dem Nahen Osten oder Chinas Flottenpolitik, verfügt sein Berater eine noch größere Macht als seine Vorgänger. Der National Security Adviser führt in vielen Fällen das entscheidende Gespräch mit dem Präsidenten - und würde Trump in denkbaren Krisenfällen beraten ("von einem Ebola-Ausbruch bis zu einem Showdown mit Peking im Südchinesischem Meer", skizziert die New York Times mögliche Szenarien).

Flynn sieht IS als globale Bedrohung und existenzielle Gefahr für die USA

Der Posten des Sicherheitsberaters bedarf nicht der Zustimmung des Senats. Wer immer ihn erhält, übt großen Einfluss auf das US-Militär und die Geheimdienste aus. Flynn, der in einer irisch-katholischen Familie aufwuchs und noch immer Mitglied der Demokraten ist, machte in Armee und Geheimdiensten Karriere und war unter anderem im Irak und Afghanistan stationiert - seine Arbeit im Kampf gegen die Taliban wurde hochgelobt.

2012 wurde er Chef der Defense Intelligence Agency, einer Art CIA des Pentagons. 2014 ging Flynn in den Ruhestand - angeblich war er extrem verärgert, weil ihm US-Präsident Obama ein Treffen verweigerte, bei dem er ihn vor der Gefahr des "Islamischen Staats" (IS) hatte warnen wollen. Flynn sieht den IS als existenzielle Bedrohung der USA an. Womöglich wurde er aus dem Amt gedrängt.

In den vergangenen Wochen bezeichnete Wahlkämpfer Flynn Obama als "Lügner", der keinen Plan habe, um die IS-Miliz zu besiegen. Wegen dieser Attacken wurde er von anderen Ex-Militärs harsch kritisiert. Es gehöre sich nicht, sich so in Parteipolitik einzumischen und den Oberbefehlshaber zu kritisieren. Andere verweisen darauf, dass Flynn als Rentner hochbezahlte Reden in Russland hält und sich neben Präsident Wladimir Putin fotografieren ließ. Nicht nur bei Demokraten sorgte für Entsetzen, dass Flynn 2014 via Twitter erklärte, die Furcht vor Muslimen sei "vernünftig".

Trump scheint nicht zu kümmern, was andere über seine engsten Mitarbeiter und Kabinettsmitglieder denken. Zum Beispiel, dass mehrere konservative Sicherheitspolitiker Flynn als "verwirrt" bezeichneten und Ex-Außenminister Colin Powell ihn einen right wing nutty nannte, also einen verrückten Rechten.

Wer sonst noch etwas werden könnte in der Regierung Trump

Knapp eineinhalb Wochen nach dem Wahlsieg von Donald Trump scheint damit weiter alles offen. Diese Grafik des Washington Post-Journalisten Philip Bump bringt es auf den Punkt.

Es spricht viel dafür, dass auch in den nächsten Tagen und Wochen der Trump Tower einer der wichtigsten politischen Orte der USA sein wird. Die Reporter haben schon ihr Lager in der Lobby des goldenen Turms aufgeschlagen - und dank dem Sender C-Span kann der Rest der Welt per Videostream mitverfolgen, wer in die goldenen Aufzüge steigt und womöglich als Minister wieder herauskommt. Zurzeit wird vor allem eines: spekuliert.

Linktipp: Ein ausführliches Porträt von Trumps künftigem Sicherheitsberater, für das Michael Flynn mehrmals interviewt wurde, erschien kürzlich im Politico Magazine.

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