Neuer Start-Vetrag:Berechenbarer Frieden

Obama und Medwedjew machen einen Schritt in die richtige Richtung: Mit dem neuen Start-Abkommen rückt der Traum von einer Welt ohne Atomwaffen ein wenig näher.

Paul-Anton Krüger

"Die größte Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten ist nukleare Proliferation." Dieser Satz stammt von George W. Bush.

Sein Nachfolger, Barack Obama, sieht das nicht anders: Die "größte außenpolitische Herausforderung" liegt für ihn darin, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern; und verhindert werden soll auch die Verbreitung des Wissens, wie man Bomben baut.

Schließlich kann jede einzelne davon Zehntausende töten. Nicht die Bedrohungsanalyse trennt also den jetzigen US-Präsidenten von seinem Vorgänger. Was sie unterscheidet, ist die Wahl der politischen Mittel, mit denen beide die nukleare Gefahr bekämpfen.

Ein bedeutender Kurswechsel

Der Unterschied könnte größer kaum sein. Obama vollzieht einen bedeutenden Kurswechsel. Aber der Blick dafür bliebe verstellt, würde man diesen Wechsel allein an seiner Vision einer Welt ohne Atomwaffen messen.

Sähe man nur dies, dann erschiene der Abrüstungsvertrag, den der Amerikaner am Donnerstag in Prag gemeinsam mit Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew unterschrieben hat, nur als zaghafter Schritt.

Die USA und Russland verschrotten ein paar hundert Raketen und Sprengköpfe, behalten aber auf absehbare Zeit so viele Bomben, dass sich die Welt damit ein halbes Dutzend Mal in den Untergang stürzen ließe.

Viel wichtiger ist: Nach fast 20 Jahren gibt es zwischen den beiden größten Atommächten wieder ein umfassendes Abrüstungsabkommen, das ein Gleichgewicht festschreibt. Bush hatte 2002 den ABM-Vertrag zur Begrenzung der Raketenabwehr gekündigt. Er setzte nicht auf strategische Parität mit Moskau; er wollte Amerika zu uneinholbarer Überlegenheit führen, auch als Atommacht.

Der Vertrag schafft wieder Vetrauen

Obama wird den geplanten Raketenschirm nicht aufgeben, er wird Amerikas Sicherheit nicht mutwillig schwächen. Aber er verzichtet darauf, nach uneingeschränkter Dominanz zu streben. Dafür sprechen die geänderte Ausrichtung der Raketenabwehr - wie auch der neue Start-Vertrag. Russland ist auf dieses Abkommen viel stärker angewiesen als die USA; es würde mit seinem überalterten Arsenal sonst unweigerlich ins Hintertreffen geraten.

Der US-Präsident versucht mit strategischer Zurückhaltung, das Misstrauen, ja die Feindseligkeit der vergangenen Jahre zu überwinden. Er macht die größte Militärmacht der Welt berechenbarer, ohne dadurch Boden zu verlieren. Der Vertrag schafft wieder Vertrauen, auch wenn das noch wachsen muss, bevor wirklich mutige Einschnitte in die Atomarsenale möglich werden.

Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit

Die Rückkehr zur traditionellen Rüstungskontrolle stärkt Obama darüber hinaus in seinem Ringen um größere Ziele. Er muss Glaubwürdigkeit in seinem Kampf gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen beweisen. Im Atomwaffensperrvertrag sieht Obama die wichtigste Handhabe, um Iran und andere Staaten daran zu hindern, sich die furchtbarste aller Waffen zu verschaffen.

Der Pakt aber ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Er verpflichtet die Unterzeichner, der militärischen Nutzung von Atomenergie zu entsagen. Er verlangt aber zugleich von den fünf offiziellen Atommächten, dass sie abrüsten.

Gleiches Recht für alle

Obama betont gegenüber Iran und Nordkorea, die Staatengemeinschaft müsse das internationale Recht durchsetzen. Das kann nur fordern, wer selbst seinen Verpflichtungen nachkommt. George W. Bush scherte sich darum wenig. Er drohte mit präventiven Kriegen. Nordkoreas Atomtest in seiner Amtszeit steht für das Scheitern dieser Doktrin, und Iran hat sein Atomprogramm unter dem Eindruck dieser Drohung sogar beschleunigt.

Nur Libyens Diktator Muammar el Gaddafi zog die Notbremse. Doch anders als Pjöngjang und Teheran war er von einem echten Atomprogramm Jahre entfernt. Er ließ sich von Wirtschaftsinteressen leiten, kaum von Furcht vor einer Attacke.

Die Abkehr vom Unilateralismus ermöglicht es Obama überhaupt erst wieder, dass er andere Mitgliedstaaten drängen kann, Sanktionen gegen Teheran zu beschließen. Zudem will er jene Schlupflöcher im Sperrvertrag schließen, die Iran und Nordkorea in der Vergangenheit ausgenutzt haben.

Es gibt keine bessere Alternative

Ob es ihm gelingt, zusammen mit den Europäern bei der Überprüfungskonferenz im Mai seine Vorschläge für bessere Kontrollen und schärfere Strafen durchzusetzen, ist ungewiss.

Trotzdem gibt es keine bessere Alternative. Möglichst viele Länder müssen eingebunden werden, will man den Schmuggel von Nukleartechnik und die Weitergabe von Bomben-Knowhow endlich unterbinden.

Von dieser Einsicht getragen ist auch der Atom-Gipfel, zu dem Obama kommende Woche mehr als 40 Staats- und Regierungschefs in Washington versammelt. Ihre Länder verfügen über einen Großteil der Spaltstoffe weltweit. Wenn sie sich glaubwürdig verpflichten, dieses Material unter Verschluss zu halten, ist das die beste Vorsorge gegen einen Anschlag mit einer schmutzigen Bombe oder gar einer Kernwaffe.

Völlig abschrecken lassen sich Terroristen nicht. Zugleich müssen die Strafen für illegalen Handel verschärft, muss die internationale Zusammenarbeit bei der Aufklärung verbessert werden. Damit wäre nicht nur der Sicherheit der USA gedient, sondern auch der aller anderen Staaten.

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