Die Sätze, mit denen der Vorsitzende Richter Manfred Steinhoff am 8. Dezember 2008 nach mehr als 20 Monaten Verhandlungsdauer den Prozess um den Feuertod des Afrikaners Oury Jalloh beendete, blieben den Zeugen dieser denkwürdigen Urteilsverkündung lange in Erinnerung.
"Trotz intensivster Bemühungen", sagte der Richter, habe das Gericht nicht die Chance gehabt, "das, was man ein rechtsstaatliches Verfahren nennt, durchzuführen". Das Urteil beruhe nicht auf "Erkenntnissen", es sei einfach "ein Ende, das aus formalen Gründen sein muss". Und er schloss seine Urteilsbegründung mit dem Satz: "Ich habe keinen Bock, zu diesem Scheiß noch irgendwas zu sagen."
Der Angeklagte, der 48-jährige Polizeibeamte Andreas S., ehemals Dienstgruppenleiter im Polizeirevier Dessau, war wohl der Einzige, der an diesem Tag mit einem Gefühl der Erleichterung nach Hause ging. Er war vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen worden. Aber die Geschichte war damit nicht zu Ende.
Das Urteil, das der erkennende Richter selbst mit so ungewöhnlichen Worten für belanglos erklärt hatte, wurde im Januar 2010 vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Von diesem Mittwoch an muss das Landgericht Magdeburg einen neuen Anlauf unternehmen, die Vorgänge aufzuklären, die am 7. Januar 2005 zum Tod des 23-jährigen Asylbewerbers aus Sierra Leone geführt hatten. Die Chancen, dass dies gelingt, sind eher gering.
Oury Jalloh war am frühen Morgen jenes Tages von einer Polizeistreife festgenommen worden, weil zwei Frauen, die für einen Euro pro Stunde Müll aufsammeln mussten, sich von ihm belästigt fühlten. Er war betrunken und stand unter Drogeneinfluss. Ein Arzt erklärte ihn für haftfähig, riet aber dazu, ihn zu fixieren, wegen Selbstgefährdung. Jalloh wurde in einer Arrestzelle im Keller des Polizeireviers auf einer Matratze liegend mit Händen und Füßen angekettet.
Hätte S. Jalloh noch retten können?
Im Laufe des Vormittags wurde die Zelle mehrmals kontrolliert, zuletzt um 11.45 Uhr von der Beamtin Beate H., die im ersten Stock des Polizeirevieres zusammen mit dem Dienstgruppenleiter Andreas S. Dienst hatte. Sie bestand darauf, dass die Gegensprechanlage mit der Zelle angeschaltet wurde. Wenige Minuten nach zwölf Uhr hörte sie ein seltsames Geräusch, das wie Plätschern klang.
Kurz darauf sprang das Alarmsignal des Rauchmelders in der Zelle an. S. schaltete es zunächst ab, es sprang nach zehn Sekunden wieder an. Beate H. mahnte S. zur Eile, er machte sich auf den Weg in den Keller. Als er dort ankam und die Zellentür öffnete, drang schwarzer Qualm heraus. Die Matratze brannte, Jalloh war, wie die Gerichtsmediziner feststellten, an einem Hitzeinhalationsschock gestorben.
In dem Prozess geht es um die Frage, ob S., wenn er sich mehr beeilt hätte, Jalloh noch hätte retten können. Das Gericht in Dessau kam zu der Überzeugung, dass Jalloh die Matratze selbst mit einem Feuerzeug in Brand gesteckt habe; für ein Fremdverschulden sah auch die Staatsanwaltschaft keinerlei Anhaltspunkte.
Der Bundesgerichtshof stellte die Überlegung an, Jalloh habe doch sicherlich schon vor dem Auslösen des Rauchmelders Schmerzensschreie ausgestoßen, die S. hätte hören und auf die er hätte reagieren müssen - Belege dafür gibt es nicht. Die von einem sehr aktiven Unterstützerkreis vertretene These, Jalloh sei, von wem auch immer, vorsätzlich ermordet worden, kann sich auf keinerlei Tatsachen stützen.