Neuer Landtag in Potsdam:Steige hoch, du weißer Adler

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Potsdam: Im neuerbauten Potsdamer Stadtschloss tagt der Landtag Brandenburg (Foto: dpa)

Der brandenburgische Landtag tagt künftig hinter der nachgebauten Fassade des alten Stadtschlosses, das die DDR einst abreißen ließ. Die Potsdamer freuen sich über das neue Gesicht ihrer Stadt. Doch an der Farbe des Wappenvogels scheiden sich die Geister.

Von Jens Schneider

Es war ein heiterer Moment, er löste keinerlei Aufregung aus, von einem Zwischenfall wollte niemand in der Verwaltung sprechen. Die kleine Episode trug sich im neuen Büro des Landtagspräsidenten Gunter Fritsch zu. Dort steht er nämlich, der Rote Adler, das Wappentier Brandenburgs. Und so ergab es sich, dass einer der ersten Besucher an diesem Wochenende flott seine Ärmel hochkrempelte und seine Begleiter mit einem Lächeln zum Mittun aufforderte. Er tat für einen Augenblick, so heißt es, als wollte er das Wappen abmontieren und direkt in den Plenarsaal des neuen Brandenburger Landtags bringen. Dort nämlich wird der Rote Adler von offenbar vielen Bürgern und manchen Politikern arg vermisst. Es gibt auf Geheiß des Architekten aber nur einen weißen Adler, vor einer weißen Wand.

Der Mann stieg dem Vernehmen nach sogar über die Absperrung, konnte dann aber leicht von seinem Ziel abgebracht werden. Radikaler Eifer hätte auch nicht gepasst zu diesen fröhlichen Tagen, an denen die Stadt Potsdam wieder eine Mitte bekommen hat. Seit Jahrzehnten war es, als hätte die brandenburgische Landeshauptstadt ihr Gesicht verloren.

Schäbigster Landtag Deutschlands

Gewiss gab es schöne Ecken, nicht nur Park Sanssouci oder das Holländische Viertel. Aber wer vom Hauptbahnhof kam, traf auf eine beklemmende Leere, die von einem Nebeneinander manchmal schöner und oft weniger schöner Gebäude umstanden war. Das alte Stadtschloss war im April 1945 zerbombt worden, die Reste wurden 1960 nach dem Willen der SED-Führung abgerissen. Jetzt ist da ein neues Gesicht, das in seiner Form an das alte erinnert, und die Potsdamer sind offenbar sehr froh darum. 22.000 Besucher kamen zu den ersten Tagen der offenen Tür in den Brandenburger Landtag, dessen Hülle an die äußere Form des alten Stadtschlosses angelehnt ist.

Es ist eine schon außergewöhnliche Euphorie für ein neues Landesparlament. Noch viel mehr hätten kommen wollen, die Karten waren schnell vergriffen. Viele zeigten sich begeistert - sieht man, wovon noch zu reden sein wird, vom weißen Adler ab. An diesem Dienstag wird der Landtag mit einem Festakt eröffnet.

Eingezogen sind die Politiker schon vor einigen Wochen, hinunter vom Brauhausberg auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs. Dort tagte der Landtag 22 Jahre lang in einem tristen Backsteinbau. Er wird in Potsdam "Kreml" genannt, früher saß darin die SED-Bezirksleitung, das passte. Der Landtagspräsident sprach einmal vom schäbigsten Landtag Deutschlands.

Vor der Grundsteinlegung für den neuen Landtagsbau im Jahr 2011 stand ein langes, oft erbittertes Ringen um das künftige Parlamentsgebäude und die Frage, ob das Stadtschloss wieder errichtet werden soll. Und ob das vielleicht rückwärts gewandt wäre. Als Kompromiss entstand das innen modernste Parlamentsgebäude Deutschlands, dessen Fassade die alten Formen wiedergibt, in dem schöne Details des alten Schlosses zu finden sind. Ausdrücklich aber steht, ein Spiegel dieser Debatte, ein von der Potsdamer Künstlerin Annette Paul in schöner Form entworfener Schriftzug an der Seite des neuen Gebäudes: "Ceci n'est pas un château" steht dort -"Dies ist kein Schloss". Der Potsdamer Sprachgebrauch wird das wohl ignorieren, man spricht schon vom "Landtagsschloss".

Das Gebäude wurde mit einem eher bescheidenen Etat von 120 Millionen Euro im Kostenrahmen gebaut. Spenden von Günther Jauch für das Fortunaportal und von SAP-Gründer Hasso Plattner für die Fassade und das Kupferdach machten die Annäherung an die historische Fassade möglich. Erst Initiativen von Potsdamer Bürgern brachten das Projekt voran. "Ich habe mich auf dieses Projekt nur eingelassen, weil es aus einem demokratischen Prozess heraus entstanden ist und damit ein Bau der Bürger ist", sagt Architekt Peter Kulka. Er hat bereits den sehr offen angelegten neuen sächsischen Landtag in Dresden, den ersten in den neuen Ländern, gebaut. In Brandenburg entstand unter seiner Planung nun der letzte Neubau.

Rot oder weiß?

Kulka musste auf Vorrat planen. Die vier modernen Bürogeschosse und der Plenarsaal könnten auch Berlins Abgeordnete aufnehmen und von 88 auf 150 Plätze aufgestockt werden, falls es doch noch zur Fusion von Berlin und Brandenburg kommen sollte. Derzeit nutzt der Landesrechnungshof die Büros. Kulka hat den Landtag innen in einer, wie er sagt, minimalistischen Schönheit geplant, durchgehend weiß ist auch der Plenarsaal, mit roten Stühlen. Die Helligkeit ist Konzept. "Da oben sitzt das Volk", sagt Kulka bei einer Führung. "Die sollen die Abgeordneten alle scharf sehen."

Statt des klassischen Hoheitszeichens hängt da ein von Kulka entworfener Adler aus weiß lackiertem Stahlblech. Oft wird ja die Freude über etwas schönes Neues besonders dadurch ausgedrückt, dass man über einen möglichen kleinen Makel heftig streitet. Nun erreicht den Landtag viel Post von Bürgern, man möge doch das echte Landeswappen aufhängen. Heißt es nicht in der Landes-Hymne, dass der Rote Adler steigen soll? Kulka gibt sich gleichmütig, dies sei nun Sache des Landtags. Das alte Wappen aus dem "Kreml" steht beim Landtagspräsidenten. Fritsch will vorschlagen, dass die Abgeordneten abstimmen, ob sie es rot oder weiß haben wollen. Schließlich gebe es ja keinen König mehr, der dies allein bestimmen würde.

© SZ vom 21.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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