Neuer Finanzminister Tsakalotos:Das Gehirn hinter Syrizas Wirtschaftspolitik

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Euklid Tsakalotos, neuer Finanzminister in Athen: Ähnlicher Werdegang wie Varoufakis - und doch ganz anders. (Foto: AFP)

Euklid Tsakalotos ist überzeugter Marxist und Realist. Für den neuen Finanzminister Griechenlands muss die Lösung für die Probleme seines Landes einen "internationalen Geschmack" haben.

Von Thomas Kirchner

Auf den ersten Blick ist der neue griechische Finanzminister ganz der alte: Euklid Tsakalotos hat eine ähnliche Ausbildung und eine ähnliche Karriere hinter sich wie sein Vorgänger Yanis Varoufakis, er ist Professor für Ökonomie. Geboren in Rotterdam, zog er im Alter von fünf Jahren mit seinen wohlhabenden Eltern nach Großbritannien, studierte Politik und Philosophie in Oxford und der University of Sussex. Es heißt, er spreche besser Englisch als Griechisch. Seit mehr als 25 Jahren unterrichtet er, erst in Kent, seit 1994 in Athen.

Auch Tsakalotos hat sich in Büchern theoretisch mit der Euro-Krise und ihren Ursachen befasst, ja, er gilt als das "Gehirn" hinter der Wirtschaftspolitik des griechischen Linksbündnisses Syriza. 2012 argumentierte er in einem Buch gegen die These von der angeblichen wirtschaftlichen Rückständigkeit Griechenlands an. Im Gegenteil, das Land habe vor der Finanzkrise zwei Jahrzehnte neoliberaler Reformen erlebt. Gebracht habe das nur mehr soziale Ungleichheit und weniger Demokratie.

Was den 54-Jährigen allerdings unterscheidet von Motorradfahrer Varoufakis - und ihm wohl den neuen Job eingebracht hat -, ist sein Auftreten. Tsakalotos gilt als deutlich konzilianter, fast als "Leisetreter". Und er ist Realist, er will keinen Grexit, er will Griechenland in der Euro-Zone halten.

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Von der Überzeugung her ist Tsakalotos ein "Keynesianer"

Einen sozialistischen Alleingang, eine nationale Lösung lehnt er ab. Jede Lösung für die Probleme des Landes müsse einen "internationalen Geschmack" haben, sagt er. Im Gegensatz zum Außenseiter Varoufakis, der erst 2015 in die Politik eingestiegen war, gehört Tsakalotos zu den Gründungsmitgliedern von Syriza. Seit 2012 sitzt er auch im Parlament, in der neuen griechischen Regierung wurde er zunächst Vize-Außenminister.

Zuletzt war er Chefunterhändler der Griechen bei den Verhandlungen mit den Gläubigern. Von der ökonomischen Überzeugung her ist Tsakalotos ein "Keynesianer": Er glaubt daran, dass der Staat in Phasen des wirtschaftlichen Abschwungs mehr ausgeben und dafür in guten Zeiten sparen sollte. "Wenn man die Einkommen mindert, mindert man die Möglichkeiten der Menschen, Steuern zu zahlen", sagte er 2012.

Und er ist ein überzeugter Marxist. Wenn ihn jemand argumentativ in die Enge treibt, sagt er gerne: "Das ist nicht links." Politisch wurde Tsakalotos auch zu einem Rebell gegen die eigene Familie. Sein Großvater war im Bürgerkrieg 1946-49 ein General auf der Seite der Rechten. "Er hatte immer Angst, ich könnte ein Liberaler werden", so der Enkel. Schon in Oxford schloss er sich der Jugendbewegung der griechischen Euro-Kommunisten an. Ob sich inhaltlich etwas substantiell ändern wird mit dem Neuen? "Syriza hat weder ein Mandat, Griechenland aus der Euro-Zone zu führen, noch ein Mandat zu Sparmaßnahmen, die nicht funktionieren", sagte Tsakalotos unlängst dem britischen Guardian.

Und: "Wir brauchen einen Deal, der tragfähig ist, gut für Europa und Griechenland."

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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