Neuer Chef der Unionsfraktion:Ralph wer?

  • Ralph Brinkhaus, bisher einer breiten Öffentlichkeit eher unbekannt, hat überraschend die politisch wichtigste Stütze der Kanzlerin gestürzt.
  • Der 50-Jährige hat etwas gezeigt, was auch außerhalb der Unionsfraktion nur wenige haben: Courage.
  • Er ließ sich nicht davon abschrecken, dass die Parteichefs von CDU und CSU die Wiederwahl Volker Kauders zum Fraktionsvorsitzenden empfohlen hatten.

Von Robert Roßmann, Berlin

Angela Merkel ist jetzt 13 Jahre Kanzlerin. Wer so lange im Amt ist, hat schon manche Niederlage einstecken müssen. Aber diese dürfte Merkels größte sein. Ralph Brinkhaus, ein in der Öffentlichkeit fast unbekannter Politiker, hat Unionsfraktionschef Volker Kauder - und damit die wichtigste politische Stütze der Kanzlerin - aus dem Amt befördert. Und das, obwohl sich Merkel seit Wochen mit einer bei ihr selten zu erlebenden Entschiedenheit für Kauder eingesetzt hatte. Die Kanzlerin scheint nicht einmal mehr ihre eigene Truppe im Griff zu haben. Die Unionsabgeordneten haben entgegen Merkels eindringlicher Empfehlung Brinkhaus gewählt - und damit den offenen Aufstand gegen die Kanzlerin geprobt.

Der Schlag ist dermaßen hart, dass Merkel an diesem denkwürdigen Dienstag gar nichts anderes übrig bleibt, als ihr Fiasko sofort einzugestehen. "Das ist eine Stunde der Demokratie, in der gibt es auch Niederlagen, und da gibt es auch nichts zu beschönigen", sagt Merkel nach der Abstimmung. Sie werde jetzt, wo immer sie das könne, Brinkhaus unterstützen. Aber wer ist dieser Brinkhaus überhaupt? Es ist sicher nicht übertrieben zu behaupten, dass sich die meisten Bürger jetzt erst einmal fragen werden: Ralph wer?

Und das ist auch kein Wunder, denn Brinkhaus ist - zumindest für CDU-Verhältnisse - kein alter Hase im Politikbetrieb. Der 50-jährige Steuerberater aus Ostwestfalen ist erst 1998 in die CDU eingetreten. 2004 zog er in den Rat der Stadt Gütersloh ein, seit 2009 sitzt er im Bundestag. Dort wurde er Anfang 2014 einer der elf stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion. Mit dieser Vita ist man alles andere als der natürliche Kandidat für den Fraktionsvorsitz. Kauder war vor seiner ersten Wahl bereits CDU-Generalsekretär.

Aber Brinkhaus hat jetzt etwas gezeigt, was auch außerhalb der Unionsfraktion nur wenige haben: Courage. Unter den Abgeordneten von CDU und CSU gab es schon länger Unzufriedenheit über Kauder. Viele Abgeordnete wünschten sich eine eigenständigere Rolle der Fraktion gegenüber der Kanzlerin und eine Verjüngung an der Spitze. Aber niemand wollte Kauder herausfordern.

Für den machtbewussten Jens Spahn kam eine Kandidatur zu früh, auch weil er gerade erst Gesundheitsminister geworden ist. Es hätte anmaßend ausgesehen, jetzt sofort nach dem Fraktionsvorsitz zu greifen. Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hätte gar nicht antreten können, weil sie nicht Mitglied des Bundestags ist. Und Hermann Gröhe, der in der Fraktion beliebte Ex-Generalsekretär und ehemalige Bundesminister, konnte sich nicht zu einer Kandidatur durchringen. Derlei ist auch schwer, wenn man sich wie Kauder und Gröhe lange kennt.

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