Sollte in Brüssel die leise Hoffnung bestanden haben, die neue britische Premierministerin Theresa May könnte einen verkappten Europafreund zum Chef der Austrittsverhandlungen ernennen, so ist diese massiv enttäuscht worden. David Davis, der neue Brexit-Minister, ist seit Jahren und Jahrzehnten einer der größten Kritiker der EU. Er ist zudem ein Mann starker Meinungen und Prinzipien. Offiziell trägt er nun den Titel "Minister für den Austritt aus der Europäischen Union". Ihm obliegt es, für die britische Seite die Details der Scheidung auszuhandeln.
Dass May eigens ein neues Ministerium schafft, zeigt, wie Ernst es ihr mit dem Thema ist. Es bedeutet aber nicht, dass die Gespräche nun zügig vorangehen. Wie seine Chefin hat Davis kein Interesse daran, die EU allzu bald offiziell vom Austrittswunsch zu unterrichten und damit in die maximal zwei Jahre währende Verhandlungsphase einzutreten. Zunächst will er eine Strategie entwickeln. In einem Aufsatz erläuterte er in dieser Woche, dass zudem zunächst Konsultationen mit den Regierungen von Schottland, Wales und Nordirland anstünden. Ferner will er sich mit der Finanzwirtschaft beraten, mit den Universitäten, mit den Gewerkschaften, mit Arbeitergeberverbänden, mit Mittelstandsvertretern. Das wird dauern.
Großbritannien:Darum Boris Johnson
Der frühere Londoner Bürgermeister hat sich auf internationalem Parkett bisher eher blamiert. Dennoch hat seine Berufung zum Außenminister für die neue Premierministerin entscheidende Vorteile.
Davis glaubt aushandeln zu können, dass Großbritannien weiterhin Zugang zum EU-Binnenmarkt hat, aber trotzdem die Freizügigkeit einschränken kann. Sobald die "europäischen Nationen" einmal eingesehen hätten, dass Großbritannien in puncto Einwanderung keine Kompromisse mache, würden diese zu Zugeständnissen bereit sein. Am Ende der Verhandlungen, schreibt Davis, werde Großbritannien eine dynamischere Wirtschaft haben, es gebe größere globale Chancen, die Preise in den Läden würden niedriger sein, die Löhne für die Armen dafür höher, und man werde die Kontrolle über die Einwanderung zurückgewonnen haben.
Ein präziser, kein fesselnder Redner
Der 67 Jahre alte Davis sitzt seit 1987 im Parlament. Zuvor hatte er Informatik studiert und 17 Jahre lang für einen Lebensmittelkonzern gearbeitet. Eines seiner Hauptanliegen neben dem Austritt aus der EU ist die Stärkung von Bürgerrechten. 2005 trat er gegen David Cameron um den Parteivorsitz an. Davis galt zunächst als Favorit, wurde jedoch von Cameron überholt, weil dieser auf dem Parteitag vor der Wahl eine brillante Rede hielt. Davis ist ein präziser, aber kein fesselnder Orator.
Als er am Montag gefragt wurde, wie er die Verhandlungen mit der EU angehen wolle und ob er allen Ernstes glaube, Großbritannien werde weiterhin Zugang zum Binnenmarkt haben, sagte er freundlich: "Abwarten und Tee trinken." Seine vordringlichste Aufgabe ist nun ohnehin eine eher profane, aber in London gar nicht mal so leicht zu lösende: Irgendwo im Regierungsviertel muss er für sein neues Ministerium ein möglichst großes und möglichst freies Gebäude finden.