Neuer Anlauf für Friedensgespräche in Nahost:Weite Spannbreite zwischen Prozess und Vertrag

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Netanjahus Kabinett: Diese Verhandlungen werden nicht einfach sein", sagte Netanjahu zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung, "aber wir werden sie ehrlich und ernsthaft angehen". Er bekräftigte dabei frühere Ankündigungen, über einen möglichen Friedensvertrag vor Unterzeichnung das Volk abstimmen zu lassen (Foto: Getty Images)

Was für eine Entwicklung: US-Außenminister John Kerry wurde über Nacht vom Mr. Bean im "Ultimativen Katastrophenfilm" zum Ethan Hunt aus "Mission Impossible". Mit der Neuauflage der Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern sind hohe Erwartungen verbunden. Für manche Hardcore-Politiker ist der Nahost-Konflikt jedoch schlicht "unlösbar".

Als US-Außenminister John Kerry in Amman vor die Presse trat, um den Durchbruch für direkte Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern zu verkünden, wog er jedes Wort vorsichtig ab. Fragen ließ er nicht zu und warnte sogleich, niemand anders als er selbst sei autorisiert, weitere Details zu nennen. So sei es mit allen vereinbart, die wirklich wüssten, was im verabredeten Rahmenplan für die Verhandlungen steht.

Auf Geduld und Verschwiegenheit zu setzen, ist wichtigste Zutat des Erfolgsrezepts mit dem Kerry seinen Zwischenerfolg erreichte und damit fast alle überraschte. Für Chemi Schalew, den New Yorker Korrespondenten der liberalen Tageszeitung Haaretz wurde er damit über Nacht vom Mr. Bean im "Ultimativen Katastrophenfilm" zum Ethan Hunt aus "Mission Impossible".

Doch Kerrys Mission bleibt ein gewagter Drahtseilakt, weshalb er selbst warnte: "Niemand glaubt die so lange bestehenden Differenzen könnten über Nacht weggewischt werden." In den nächsten Tagen müssten auf beiden Seiten einige weitere harte Entscheidungen gefällt werden, warnte er. Das tiefe Misstrauen der Palästinenser machte sich gleich am Folgetag Luft, während es wegen der Sabbatruhe auf israelischer Seite 24 Stunden dauerte, bis die Warner und Kritiker laut wurden.

Die Palästinenser fürchten, erneut in die Oslo-Falle zu geraten, also sich in Friedensverhandlungen die Hände zu binden, während die israelische Siedlerbewegung vor Ort tatkräftig weitere Fakten schafft.

So erklärte der unabhängige Parlamentsabgeordnete Mustafa Barghuti Verhandlungen ohne klaren Bezug zu den bis 1967 bestehenden Grenzen seien "Zeitverschwendung, die nur Netanjahus Regierung zu Gute kommt". Die vergangenen 20 Jahre hätten gezeigt, "dass es ein Fehler war, 1993 die Oslo-Verträge zu unterzeichnen, bevor ein Siedlungsstopp erreicht wurde". Barghuti verwies darauf, dass sich die Zahl der israelischen Siedler im besetzten Westjordanland und Ostjerusalem seitdem von 150.000 auf 600.000 vervierfacht hat.

Die linksgerichtete Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) warnte, es sei ein Fehler, Verhandlungen außerhalb des UN-Rahmens zu führen und damit erreichte internationale Rechtspositionen Kompromissen zu opfern. Das Generalkommando der PFLP, die Teil der PLO ist, forderte, ein Referendum über die Aufnahme von Direktgesprächen abzuhalten.

Handfeste Interessengegensätze wurden dagegen am Sonntag in den Wortmeldungen führender israelischer Politiker deutlich. Präsident Schimon Peres, Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Chefunterhändlerin Zipi Livni betonten, nun biete sich die Chance, langfristig die Sicherheitsinteressen Israels zu wahren und seine Existenz als Staat des jüdischen Volkes endgültig zu garantieren.

Nationalreligiöse Minister und die Interessenvertreter der Siedlerbewegung stellten dagegen in den Vordergrund, dass das Eingehen auf die Kerry-Initiative keine territorialen Zugeständnisse beinhalte und solche auch künftig nicht gemacht würden. So sagte Tranportminister Israel Katz vom rechten Flügel der Likud-Partei Netanjahus im öffentlichen Radio: "Die Besiedlung ist stark und wächst. Ein Stopp wäre unjüdisch und unmoralisch". Wohnungsbauminister Uri Ariel von der ultranationalistischen Partei Jüdisches Heim Verkündete im Rundfunk: "Wir sind dafür, soviel zu bauen wie möglich."

Und sein Parteichef Avigdor Lieberman erklärte den Nahostkonflikt für "unlösbar", weshalb bestenfalls eine "provisorische Einigung" zu erreichen sei. Auch einige israelische Leitartikler kommentierten am Sonntag, "Interimsabkommen" seien die einzig realistische Zielsetzung.

Die entscheidende Frage werde deshalb am Ende sein, was Netanjahu im Inneren wirklich wolle, schrieb dagegen der außenpolitische Haaretz-Korrespondent Barak Ravid: "Will er nur einen Friedensprozess oder ist er entschlossen, einen finalen Friedensvertrag zu erreichen?" Gehe es ihm nicht um Zeitgewinn, sondern um eine endgültige Lösung, so Ravid, "wird er zum ersten Mal klar Stellung beziehen und erklären müssen, wo für ihn Israel endet und Palästina beginnt".

© Clemens Wortmann/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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