Süddeutsche Zeitung

Neue Zusammenstöße in Istanbul:Polizei geht mit Gummigeschossen gegen Demonstranten vor

Der Tod eines jungen Demonstranten facht die Proteste in der Türkei neu an. In Istanbul kommt es erneut zu schweren Zusammenstößen. Augenzeugen berichten von Wasserwerfern und Panzerfahrzeugen, aus denen Polizisten mit Gummigeschossen auf Demonstranten schießen.

Nach dem Tod eines Demonstranten in der Südtürkei ist es bei regierungskritischen Protesten in der Millionenmetropole Istanbul erneut zu schweren Zusammenstößen gekommen. Auf der zentralen Einkaufsmeile İstiklal Caddesi ging die Polizei am Dienstagabend Augenzeugenberichten zufolge mit großer Härte gegen Hunderte zumeist friedliche Demonstranten vor. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer ein, wie Zeugen berichteten.

Polizisten schossen außerdem mit Gummigeschossen auf Demonstranten und unbeteiligte Umstehende. Aus den Reihen der Protestbewegung wurden Feuerwerkskörper und bengalische Feuer gezündet. Bereitschaftspolizisten verfolgten fliehende Demonstranten in Seitenstraßen. Krankenwagen waren im Einsatz.

In der Nacht zu Dienstag war bei regierungskritischen Protesten in der Stadt Antakya ein 22-Jähriger ums Leben gekommen. Der Demonstrant wurde nach Darstellung von Verwandten von einem Tränengasgeschoss der Polizei am Kopf getroffen, wie türkische Medien berichteten. Nach seinem Tod war über soziale Netzwerke zu Demonstrationen in Istanbul, Antakya und anderen türkischen Städten aufgerufen worden.

Die Proteste gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan haben in den vergangenen Wochen zwar nachgelassen, flammen aber wieder auf. In Istanbul war es bereits am Montag bei einem Protestmarsch gegen Polizeigewalt zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen. Die Demonstranten forderten die Bestrafung von Polizisten, die für die schwere Verletzung eines 14-Jährigen verantwortlich sind.

Der Jugendliche liegt seit Juni im Koma, nachdem er von einer Tränengasgranate der Polizei am Kopf getroffen worden war. Menschenrechtsgruppen haben der türkischen Polizei wiederholt vorgeworfen, mit Tränengasgewehren gezielt auf Menschen zu schießen.

Die landesweiten Proteste hatten sich Ende Mai an Plänen der Regierung entzündet, den Gezi-Park am zentralen Taksim-Platz in Istanbul zu bebauen. Inzwischen richten sie sich aber vor allem gegen den autoritären Regierungsstil Erdoğans. Insgesamt kamen bei den seit Ende Mai andauernden Protesten in der Türkei bislang fünf Demonstranten und ein Polizist ums Leben.

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Süddeutsche.de/dpa/AFP/kjan
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