Neue Wahlkampfstrategie:Die FDP will wärmer werden

Landesparteitag der bayerischen FDP

Überraschung löst aus, wie flexibel und kompromissbereit die FDP-Führung derzeit Politik macht. Am Wochenende wurden in Bayern die Studiengebühren beerdigt, gleichzeitig wurde im Bund einer Lohnuntergrenze der Weg geebnet.

(Foto: dpa)

Lohnuntergrenze, Steuersenkungen, Kampf gegen hohe Strompreise: Die FDP-Führung gibt sich plötzlich überraschend flexibel. Sie hofft, das Image einer reinen Reichenpartei loszuwerden. Innerparteilich gibt es Kritik an dem neuen Kurs.

Von Stefan Braun, Berlin

Viele Unionspolitiker dürften sich derzeit die Augen reiben beim Blick auf die Liberalen. Nicht, weil die FDP sich noch widerborstiger gibt als in den letzten drei Koalitionsjahren. Überraschung löst aus, wie flexibel und kompromissbereit die FDP-Führung derzeit Politik macht. Am Wochenende wurden in Bayern die Studiengebühren beerdigt, gleichzeitig wurde im Bund einer Lohnuntergrenze der Weg geebnet.

Dazu herrscht gegenwärtig demonstrative Einigkeit zwischen Wirtschafts- und Umweltminister, jedenfalls beim Kampf gegen zu hohe Strompreise. Und die Debatte über Steuersenkungen ist der Devise, die Haushalte zu konsolidieren, gewichen. So viel Kompromissbereitschaft hat es bei der FDP lange nicht gegeben.

Diese Bereitschaft ist beim Schwenk hin zu einer Lohnuntergrenze besonders augenscheinlich. Noch sind die Details auf dem Weg dorthin offen. Aber in der Begründung haben sich Union und FDP sehr angenähert. Auch bei den Liberalen ist nun von einer "fairen Entlohnung" die Rede. Und von Leistungsgerechtigkeit, auch ganz unten. Was zeigt, dass die FDP zum Start in den Wahlkampf das Image der Kälte doch lieber loswerden möchte.

Neue Parole in Sachen Steuern

Dieser Verdacht drängt sich auch auf, wenn man die weiteren Schwerpunkte für das Wahlprogramm betrachtet. Es soll erst in zwei Monaten beschlossen werden. Wohin die Reise geht, ist aber schon erkennbar. Das zeigt vor allem ein Blick auf jenes Thema, das 2009 den Wahlkampf der Liberalen bestimmt hat: die Steuern.

Steuersenkungen, am besten in Milliardenhöhe - das war die Parole vor vier Jahren. Nun hat das Präsidium am Montag einen Entwurf zur Wirtschaftspolitik beschlossen, in dem Steuersenkungen fast überhaupt nicht mehr auftauchen. Oberste Priorität ist die Konsolidierung der Haushalte geworden. Für 2014 will die FDP einen strukturell ausgeglichenen Haushalt erreichen, für 2015 sogar eine schwarze Null. Das heißt: Der Staat soll von 2015 an mehr einnehmen als ausgeben.

Mehr als 800 Änderungsanträge

Mit Blick auf die Steuern wird jetzt als oberstes Ziel ausgegeben, dass die Belastungen nicht weiter steigen dürften. Steuermoratorium heißt das, und das wird ergänzt durch die Forderung, eine Steuerbremse ins Grundgesetz zu schreiben. Sie soll garantieren, dass "die Menschen niemals mehr als die Hälfte ihres Einkommens über direkte Steuern abführen müssen". Steuersenkungen soll es dann geben, wenn durch hohe Einnahmen Entlastungen ohne neue Schulden möglich würden. Diese neue Tonlage, so ist zu hören, sei der neuen Lage seit Ausbruch der Weltfinanzkrise geschuldet. Im Kontrast zum Wahlkampf 2009 ist es augenfällig.

In anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik sind die Unterschiede zwischen damals und heute geringer. Bemerkenswert ist aber, dass die FDP die Zuwanderungsmöglichkeiten massiv erweitern möchte und bei der Aufnahme ausländischer Arbeitskräfte für ein reines Punktesystem nach kanadischem Vorbild plädiert. Hinzu kommt noch, dass sie sich für Doppelstaatsbürgerschaften einsetzt und die Mindestverdienstgrenzen für Zuwanderer in den deutschen Arbeitsmarkt herabsetzen möchte.

Andere Themen in den Mittelpunkt

Während sie sich hier - vor allem aus wirtschaftlichen Gründen - liberal gibt, will sie bei der Euro-Rettung schärfere Töne anschlagen. Europäische Solidarität - im Grundsatz ja. Übernahme der Schuldenlast anderer - auf keinen Fall. Entsprechend wendet sie sich gegen jede Form von Euro-Bonds und fordert zugleich, den Einfluss der Bundesbank innerhalb der europäischen Zentralbank zu stärken. Dass Deutschland und ein Land wie Malta bislang das gleiche Stimmengewicht haben, hält sie für inakzeptabel.

Daneben will die FDP viel stärker als vor vier Jahren andere Themen in den Mittelpunkt stellen und mit einer betont liberalen Gesellschaftspolitik die Gleichstellung homosexueller Paare durchsetzen und sich gegen jede Form schärferer Sicherheitsgesetze wenden. Ein weiterer Schwerpunkt, im Wahlprogramm an erster Stelle geführt, soll die Bildungspolitik sein. Hier plädieren die Liberalen für mehr gemeinsame Standards und eine Stärkung der einzelnen Schulen. "Wir wollen die selbstverwaltete Schule", heißt es.

Das Programm wird derzeit in der Partei heftig diskutiert. Mehr als 800 Änderungsanträge sind bereits eingegangen. Endgültig beschlossen wird es auf einem Parteitag Anfang Mai in Nürnberg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: