Neue Ukip-Vorsitzende:Nach Farage kam der "Bürgerkrieg", jetzt kommt Diane James

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Diane James, Nachfolgerin von Nigel Farage, betritt das Bournemouth International Centre, wo Ukip ihren Parteitag abhält. (Foto: Getty Images)

Der plötzliche Rücktritt des Parteichefs brachte Chaos in die britische Ukip. Seine neugewählte Nachfolgerin muss die Frage beantworten: Was macht eine Anti-EU-Partei, wenn die Sache mit dem Brexit durch ist?

Von Julia Ley

Eigentlich sollten diese Wochen eine Zeit des Triumphes für Ukip sein, jene lange unbedeutende Partei, die dann erheblichen Anteil daran hatte, dass die Briten sich Ende Juni gegen den Verbleib in der EU aussprachen. So unerwartet wie das Brexit-Votum kam für viele auch der Rückzug des Mannes, der dafür maßgeblich verantwortlich war: Nigel Farage. "Ich will mein Leben zurück", erklärte Farage lapidar. Das war's. Er hatte sein Ziel erreicht. Seither befindet sich die Partei in einer Identitätskrise.

Aus dieser soll sie nun Diane James führen, 56 Jahre alt, aufgewachsen im südenglischen Kent, Europaabgeordnete. Sie wurde an diesem Freitag mit deutlicher Mehrheit zur neuen Parteichefin gewählt. Wie gut ihre Chancen wirklich waren, war zuvor nicht klar gewesen, es gab keine Umfragen zur Abstimmung.

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Für viele ihrer Parteikollegen dürfte James' Sieg trotz des klaren Ergebnisses einen unangenehmen Beigeschmack haben. Viele hätten Steven Woolfe vorgezogen, Nigel Farages Favoriten. Er will die Partei modernisieren. Doch eine Parteikommission hatte Woolfe vorzeitig von der Wahl ausgeschlossen, weil er seine Bewerbungsunterlagen 17 Minuten zu spät einreichte. Von einem "Putsch" war die Rede, von einem "Bürgerkrieg" in der Partei, die Financial Times zitierte einen hohen Ukip-Funktionär mit den Worten, vielen in der Partei schiene es, "dass es erlaubt ist, die besten Leute um die Ecke zu bringen".

Allen angetretenen Kandidaten mangelte es an Profil

Es wird also alles andere als ein leichter Start für Diane James. Wie den anderen vier Kandidaten mangelt es ihr an "nationalem Profil", wie der Guardian schreibt. Kein Wunder, Farage, 52 Jahre alt, war mehr als zehn Jahre lang das Gesicht der Partei. Und in dieser Rolle so dominant, dass man sich gelegentlich fragte, ob es in der Partei eigentlich noch andere Politiker gebe - und falls ja, was für sie noch zu tun bliebe.

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Zudem gibt es ein strategisches Grundproblem: Lange war Ukips einzig wahrnehmbares Ziel der Austritt aus der EU. Seit dieses Ziel erreicht und Farage zurückgetreten ist, stellt sich die Frage, wie sich die Partei künftig ausrichten will. Was ist ihr nächster großer Auftrag? Welche Wähler soll sie ins Visier nehmen?

Einige tippen auf enttäuschte Labour-Anhänger in wirtschaftlichen Problemregionen. Tatsächlich gab es in Labour-Hochburgen erstaunlich hohe Stimmanteile für den EU-Austritt. Doch das stößt auch auf Widerstand bei traditionellen Ukip-Unterstützern. "Die Partei steht vor der Herausforderung, ihre Reichweite zu vergrößern, ohne dabei die eigene Basis zu irritieren", beschreibt der Guardian das Dilemma.

Diane James bringt innerhalb der Partei vergleichsweise viel Politikerfahrung mit. 2013 war sie im heimischen Surrey kurz davor, als erste Ukip-Abgeordnete einen Wahlkreis zu gewinnen. Am Ende verlor sie knapp, bislang ist es nur einem einzigen Ukip-Politiker gelungen, ein Mandat fürs Unterhaus in London zu gewinnen. Seit 2014 sitzt James im Europäischen Parlament, außerdem ist sie innenpolitische Sprecherin von Ukip.

Sie hat ihre Partei schon in der beliebten BBC-Sendung Question Time vertreten und sah dabei neben den Vertretern der etablierten Parteien nicht schlecht aus. Die 56-Jährige gilt als medientauglich und souverän. Trotz scharfer Attacken gegen die EU lässt sie sich selten zu offensichtlich falschen oder rassistischen Behauptungen hinreißen wie andere Rechte und hantiert selbstbewusst mit Statistiken.

Doch auch sie stand schon wegen einer pauschalen Aussage über Ausländer in der Kritik: Sie nannte Einwanderung aus Rumänien problematisch, "wegen der Kriminalität, die man mit Rumänen verbindet". Später zog sie die Aussage teilweise zurück: Sie habe ja nicht alle Rumänen gemeint.

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Irritationen löste sie auch mit ihrer Strategie im parteinternen Wahlkampf aus. Sie weigerte sich, klare programmatische Bekenntnisse abzugeben und trat nicht wie die anderen Kandidaten bei Wahlkampfdebatten vor der Abstimmung, sogenannten Hustings, auf. Beides kommt nicht gut an, gibt sich James doch wie Farage als Repräsentantin der kleinen Leute. Den Abgeordneten in Westminster wirft sie vor, in einer "Lutfblasenwelt" zu leben.

James lobte Putin als "guten Führer" und "Nationalisten"

Andere Politiker gefallen ihr da besser: In einem Radiointerview im April vergangenen Jahres nannte sie den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen "starken Führer" und "Nationalisten", für den das eigene Land stets an erster Stelle stehe. Auch für die russische Annektion der Krim hatte James Verständnis - sie suggerierte, die EU trage Schuld an dem Konflikt. Mit diesen Äußerungen ist James ganz auf Linie des scheidenden Parteichefs Farage, der schon seine Bewunderung für Putins "brilliante" Redekunst zum Ausdruck gebracht hat.

Auch in der Auseinandersetzung zwischen Farage und der früheren Vize-Vorsitzenden Suzanne Evans, die Farage als "Spalter" bezeichnet hatte, stellte sich James klar auf Farages Seite. Was wiederum dazu führte, dass einige in der Partei ihr hinter vorgehaltener Hand vorwarfen, Farage "nachzuplappern".

Es dürfte eine der schwierigsten Aufgaben für James sein, die Partei in Zukunft zusammenzuhalten. In einem Interview erklärte sie kürzlich, sie werde "tough" gegen Spalter vorgehen: "Es wird in Ukip unter meiner Führung keinen Platz für jene geben, die die Partei destabilisieren oder zerstören wollen, oder für jene, die die künftige Führung darin behindern, ihre Politik umzusetzen."

James' Werdegang ist international: Sie spricht fließend Deutsch und Französisch und gibt an, Business und Tourismus studiert und bei einem deutschen Pharmaunternehmen gearbeitet zu haben. Später gründete sie eine Beratungsfirma, die Unternehmen half, internationale Gesundheitspolitik zu verstehen. Einen umfassenden Lebenslauf hat die Abgeordnete nicht veröffentlicht.

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