Süddeutsche Zeitung

Neue Studie zur Familienpolitik:Was Eltern wollen

Die Stoßrichtung der Familienpolitik geht an den Vorstellungen vieler Eltern vorbei. Mütter und Väter befürworten oft sehr viel klassischere Leistungen als von Politik und Wirtschaft propagiert, zeigt eine Studie. Doch sind sie auch gezwungen, sehr viel traditioneller zu leben, als es ihrem Wunsch entspricht.

Von Barbara Galaktionow

Es ist auf den ersten Blick schon erstaunlich: Eltern werden zu ihren familienpolitischen Wünschen befragt. Und was steht an vorderster Stelle? Eine schnelle Rückkehr junger Mütter in den Beruf, mehr Krippenplätze, die Schaffung eines Familiensplittings? All diese Themen, die in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit erfahren?

Nein, den Antworten zufolge sind es vielfach klassische Leistungen, die von Müttern und Vätern geschätzt werden. Das ist das Ergebnis der repräsentativen Studie "Wenn Eltern die Wahl haben", die Forsa im Auftrag der Zeitschriften Eltern und Eltern Family erstellt hat.

Mehr als drei Viertel der 1000 befragten Väter und Mütter (81 Prozent) unterstützen das umstrittene Ehegattensplitting. 91 Prozent bewerten die kostenlose Krankenkassen-Mitversicherung von nicht berufstätigen Eltern positiv. Das Elterngeld hingegen, von der Politik als Mutmacher für berufstätige Eltern gepriesen, scheint vielen Familien nicht wichtig zu sein.

Mütter erhalten für maximal zwölf Monate Elterngeld, dann sollen sie zurück in den Job. Das halten aber nur 31 Prozent der Eltern für richtig. 42 Prozent der Eltern sind sogar der Ansicht, dass Mütter erst drei Jahre nach der Geburt des Kindes oder noch später wieder in ihren Job zurückkehren sollten.

Die vor allem von den Familienministerinnen Renate Schmidt (SPD) und Ursula von der Leyen (CDU) vollzogene Abkehr von einem traditionellen Familienbild seit der Jahrtausendwende scheint sich im Bewusstsein der Eltern nicht widerzuspiegeln. Das ist - zumindest vordergründig - das Ergebnis der Untersuchung.

Betreuungsgeld? Eine gute Einsparmöglichkeit!

Liegt die schwarz-gelbe Regierung also mit ihrer jüngst beschlossenen Einführung eines Betreuungsgeldes richtig? Nein, fast die Hälfte aller Befragten (49 Prozent) sieht in der Rücknahme dieser Leistung sogar einen Bereich, in dem der Staat in der Familienpolitik gut sparen könnte.

Größeres Einsparpotenzial sehen die Eltern nur noch bei der Kürzung von Leistungen für gut verdienende Familien. So befürworten 69 Prozent eine Kürzung des Elterngelds bei Familien mit einem Haushaltseinkommen ab 100.000 Euro brutto, 53 Prozent sprechen sich für eine Abschaffung des Kindergelds bei den Gutverdiener-Eltern aus. Nur zwei Prozent wollen das Kindergeld hingegen ganz abschaffen.

Überhaupt ist die Studie eine ziemliche Ohrfeige für das Ressort von Familienministerin Kristina Schröder. Einem Großteil der Eltern ist nicht klar, welche Ziele die Regierung in der Familienpolitik verfolgt: 61 Prozent der Befragten gaben an, sie könnten das Ziel "eher nicht erkennen". 32 Prozent vermuten immerhin, dass das "Wohlergehen und Förderung der Kinder" der schwarz-gelben Koalition am Herzen liege, 28 Prozent sehen besondere Bemühungen um "Wahlfreiheit für Familien", 26 Prozent Anstrengungen bei der "Erhöhung der Chancengleichheit von Kindern aus benachteiligten Familien".

Doch was bedeuten die Ergebnisse der Studie nun? Sind deutsche Eltern tatsächlich einem sehr viel traditionelleren Familienbild verhaftet, als Wirtschaftsvertreter oder Teile der Politik es sich wünschen? Ganz so einfach ist es wohl nicht.

Die Studie zeigt vielmehr, dass weite Teile der Bevölkerung offensichtlich der Ansicht sind, vor allem kleine Kinder seien in der Obhut der Mutter am besten aufgehoben. Erst im Dezember war eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zu ähnlichen Ergebnissen gekommen und hatte gezeigt, dass sich gerade in Westdeutschland das Klischee der Rabenmutter hartnäckig hält.

Die Unterstützung klassischer Familienleistungen entspricht womöglich nicht nur einem traditionellen Rollenverständnis, sondern vielmehr einem gesunden Realitätssinn von Vätern und Müttern. Die Studie zeigt nämlich auch, dass die gesellschaftliche Wirklichkeit, gerade was das Arbeitsleben betrifft, nicht mit dem Wunsch vieler Eltern übereinstimmt.

Das Problem ist bekannt: Kinderlose Paare leben weitgehend gleichberechtigt, beide arbeiten, die Hausarbeit wird geteilt. Doch das ändert sich mit der Geburt des ersten Kindes oft radikal, gerade was die Aufteilung von Arbeit und Kinderbetreuung angeht. Wunsch und Wirklichkeit klaffen dann auseinander:

  • Mehr als 90 Prozent der Eltern wünschen sich der Studie zufolge, dass die Frau mindestens in Teilzeit oder mehr arbeitet. Bei fast 80 Prozent ist das auch so. Doch 38 Prozent wünschen sich, dass beide Eltern 30 Stunden Teilzeit arbeiten und sich Hausarbeit und Kinderbetreuung gleichermaßen teilen können. Das ist jedoch nur für sechs Prozent der Eltern möglich.
  • In 57 Prozent der Fälle arbeiten hingegen Männer Vollzeit und Frauen Teilzeit (was immerhin noch 40 Prozent der Befragten für erstrebenswert halten).
  • Bei 16 Prozent arbeiten beide Vollzeit (was 13 Prozent auch bevorzugen).
  • Die klassische Alleinverdienerehe findet sich bei 14 Prozent der Befragten (obwohl sie nur sechs Prozent wünschen).
  • Kaum eine Rolle spielen die Modelle "Frau arbeitet Vollzeit und Mann Teilzeit" sowie "Der Mann bleibt ganz zu Hause".

Entgegen den Vorstellungen der Familien sind Männer immer noch deutlich häufiger erwerbstätig als Frauen. Das liegt den Befragten zufolge vor allem am Geld. 45 Prozent geben an, dass sonst ihr Einkommen zu gering wäre. 39 Prozent meinen, dass die Gehälter zu unterschiedlich seien, um die Arbeit anders zu verteilen.

Angesichts dieser Realität erscheint es nachvollziehbar, dass Eltern Leistungen wie das Ehegattensplitting nicht missen möchten - weil es in der jetzigen gesellschaftlichen Situation für die meisten Eltern eben immer noch vorteilhaft ist.

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