Neue SPD-Spitze:"Wie zwei Magnete, die sich abstoßen"

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Schwieriges Verhältnis: Parteienforscher Gerd Langguth über die neue SPD-Spitze - und warum sie nur als Übergangslösung taugt.

Barbara Vorsamer

sueddeutsche.de: Der neue SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat den Parteitag am Wochenende als "großartig" bezeichnet. Sehen Sie das auch so?

Das neue Führungsduo der SPD: Parteichef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles. (Foto: Foto: Reuters)

Gerd Langguth: Großartig ist übertrieben. Gabriel hat es immerhin geschafft, die Partei hinter sich zu vereinen - auch weil die SPD weiß, dass sie nur mit einem Mindestmaß an Geschlossenheit aus ihrer dramatischen Misere herauskommt. Allerdings hat das schwache Ergebnis von Andrea Nahles gezeigt, welche Spannungen noch bestehen.

sueddeutsche.de: Nahles wurde von lediglich 69,6 Prozent der Delegierten zur Generalsekretärin gewählt und damit quasi degradiert, Gabriel hat mit 94,2 Prozent ein sehr starkes Ergebnis eingefahren. Kann dieses Machtgefüge funktionieren?

Langguth: Nahles und Gabriel sind wie zwei Magnete, die sich abstoßen. Je näher sie sich kommen, desto mehr Probleme werden sie miteinander haben. Im November 2007 sorgte Nahles dafür, dass Gabriel bei der Wahl zum SPD-Präsidium durchfiel und setzte Ralf Stegner aus Schleswig-Hostein ein. Gabriel dürfte ihr das nicht verziehen haben und das wird er sie spüren lassen.

sueddeutsche.de: Neben den beiden gehört auch noch Frank-Walter Steinmeier als Fraktionsvorsitzender zur SPD-Spitze.

Langguth: Dieses Dreigestirn ist nicht mehr als eine Übergangslösung. Auch das Verhältnis zwischen Gabriel und Steinmeier ist institutionell schwierig.

Auf kurzfristige politische Entwicklungen reagiert immer der Fraktionsvorsitzende, während der Parteichef die langfristigen Ziele setzt. Das führt zu einer natürlichen Konkurrenz. Dazu kommt, dass Gabriel ohne Zweifel der bessere Redner ist. Bei den kommenden Bundestagsdebatten wird sich zeigen, wer von beiden sich besser präsentiert.

sueddeutsche.de: Andrea Nahles hat heute in einem Interview einen "Zwei-Etappen-Plan" vorgestellt, mit dem die SPD die Macht im Bund zurückerobern will. Darin plant sie zwei Jahre für Neuaufstellung und Organisation ein, dann will sie sich zwei Jahre auf die Bundestagswahl 2013 vorbereiten. Kann das funktionieren?

Langguth: So wichtig es ist, sich Ziele und Wegmarken zu setzen - ich halte von einem auf genaue Zeiten beschränkten Plan nichts. Die SPD braucht ein langfristiges Konzept, um sich wiederzubeleben.

Ich erinnere mich an die Worte von Herbert Wehner, dem legendären Fraktionsvorsitzenden der SPD. Er sagte den Sozialdemokraten, als sie 1982 in die Opposition gerieten, eine sehr lange Zeit ohne Regierungsbeteiligung voraus. Heute befindet sich die SPD in einer noch schwierigeren Situation.

Sie wird erst wieder Wahlen gewinnen, wenn sie sich von Kommunen und Ländern ausgehend neu belebt. Und vor allem braucht die Partei eine neue sozialdemokratische Idee - davon ist Nahles mit ihrem "Zwei-mal-Zweijahresplan" weit entfernt.

sueddeutsche.de: Die wichtigste inhaltliche Entscheidung des SPD-Parteitages ist die Forderung nach einer Vermögenssteuer. Was steckt dahinter?

Langguth: Das ist Reaktion auf die Linke. Die Existenz der Linkspartei ist der große Unterschied zu früheren Oppositionsphasen der SPD, als sie noch keine Konkurrenz im eigenen Lager hatte. In steuerpolitischen Fragen ist eine Art Überbietungswettbewerb der beiden Parteien SPD und Linke zu erwarten.

sueddeutsche.de: Parteichef Gabriel sieht die SPD aber als Partei der Mitte.

Langguth: Mag sein, doch die Forderung nach der Vermögenssteuer ist ein Linksruck der SPD. Doch wenn die SPD zu weit nach links rutscht, wird sie das bürgerliche Lager verlieren - 50 Jahre nach dem Godesberger Programm.

sueddeutsche.de: Könnte die Forderung also noch zum Fluch für die Partei werden?

Langguth: An die politische Mitte ist es eine falsche politische Ansage, ihr linkes Profil hat die Partei aber geschärft. Das ist der Spagat, den die SPD schaffen muss - und bei dem sie im Moment nur verlieren kann.

Der Parteienforscher Gerd Langguth lehrt Politikwissenschaft an der Universität Bonn.

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