Süddeutsche Zeitung

Neue Spannungen am Golf:König Salman gehen die Freunde aus

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Die sozialen Spannungen im Land wachsen, der Westen distanziert sich. Es war töricht von der saudischen Führung, den Schiitenführer Al-Nimr hinzurichten.

Kommentar von Tomas Avenarius

Das saudische Königshaus hat den von der Schiiten-Minderheit im Lande verehrten Oppositionellen Scheich Nimr al-Nimr hinrichten lassen. Seine Exekution könnte jenseits der Sphäre religiöser Inbrunst Folgen haben. Der Aufstand der Schiiten in Saudi-Arabien - sie leben ausgerechnet in den Ölgebieten - mag das Herrscherhaus noch nicht existenziell bedrohen. Er wird aber sicher an Schwung gewinnen nach dem Tode des predigenden Oppositionsführers. Die Schiiten sehen sich in einer Position der Stärke. Sie haben das Sagen in Iran, im Irak und im Libanon, teilweise in Syrien und im Jemen. Warum nicht auch in Saudi-Arabien, durch eine Loslösung der Ölregion, als eigener Schiitenstaat?

Hingegen die Saudi-Herrscher, diese beinharten Sunniten. Für sie läuft es schlecht. Der König vergreist sehr, sehr öffentlich, während sein Sohn und mögliche Nachfolger hitzköpfig und unerfahren schattenregieren. Die sozialen Spannungen in dem früher märchenhaft reichen Land steigen parallel zum Schwinden der Öleinnahmen. Sunnitische Al-Qaida- und IS-Extremisten verüben Bombenterror. Außenpolitisch ist die Bilanz ebenso miserabel, den Saudis gehen die Freunde aus.

Durch das Atomabkommen mit Iran scheint sich der Westen von den Arabern abzuwenden, besonders von den Saudis, das Verhältnis zum großen Freund in Washington ist schlechter denn je. Auch die Europäer werden skeptischer, die Deutschen wollen nicht einmal mehr Panzer liefern. Und in Syrien hat Riad keinen Erfolg. Als Erzfeind des Assad-Regimes hat es den Sunniten-Aufstand mitfinanziert, doch der pseudo-schiitische Diktator von Damaskus kann sich dank iranischer Waffenhilfe halten.

Saudi-Arabien wird wahrgenommen als ein Nordkorea mit Wüste

Nicht einmal der alte Trick mit dem erfolgreichen kleinen Krieg im Nachbarland gelingt. Der Sieg in dem mit Getrommel begonnenen Jemen-Feldzug lässt auf sich warten; die Saudi-Armee wird der schiitischen Houthis nicht Herr; nicht nur wegen der iranischen Unterstützung für diese Barfußkrieger. Schließlich die horrende Zahl an Menschenrechtverletzungen und Hinrichtungen, seien es Kriminelle oder Oppositionelle: Saudi-Arabien wird wahrgenommen als ein Nordkorea mit Wüste, aber ohne Atombombe.

Die Angst vor dem Erstarken der Schiiten-Vormacht Iran mag das brutale Vorgehen des Saudis gegen die schiitische Opposition erklären; töricht bleibt die Exekution des Scheichs dennoch. Dass die saudische Botschaft in Teheran wenige Stunden nach den Hinrichtungen in Brand gesteckt wurde, spricht für sich: Iran will das Schicksal des saudischen Schiiten-Führers politisch ausschlachten und Punkte gegen Riad machen. So haben die Saudis nicht nur 47 Menschen an einem einzigen Tag hingerichtet. Sie haben möglicherweise auch das Kunststück vollbracht, politisch alle Weichen gleichzeitig auf das Gleis ins Abseits zu stellen.

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SZ vom 04.01.2016
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