Süddeutsche Zeitung

Neue Regierung:Österreichs Präsident lächelt erst mal

  • Die neue Regierung von ÖVP und FPÖ in Wien ist reibungslos vereidigt worden.
  • Präsident Van der Bellen hat nachdrücklich im Hintergrund daran mitgewirkt, dass diese Regierung ein paar rote Linien nicht überschreitet.
  • Einige Tausend Demonstranten zeigen trotzdem ihren Unmut.

Von Peter Münch, Wien

Der Hausherr der Hofburg ist bekannt für sein eher heiteres Gemüt. Dennoch war die entscheidende politische Frage in Wien am Tag der "Angelobung" der neuen Regierung, ob Alexander Van der Bellen tatsächlich lächelt. Denn die Mimik des Präsidenten war zum untrüglichen Indiz dafür gemacht worden, ob Österreich künftig in einer gewissen Harmonie wird leben können oder ob härtere Zeiten zukommen aufs Land. Alle Blicke also sind an diesem Morgen im prunkvollen Maria-Theresien-Zimmer auf den Staatschef gerichtet. Und siehe da: Ein Lächeln formt sich unterm Stoppelbart.

In die Ahnengalerie der Bundespräsidenten kann man den lächelnden Van der Bellen nun neben Thomas Klestil hängen, der bei gleicher Gelegenheit anno 2000 die Vereidigung der Regierung mit einer Miene vollzog, die auf schlimme Übelkeit hindeutete. Gedacht war dies als politisches Statement, weil er die damals gebildete erste Regierung aus ÖVP und FPÖ partout nicht haben wollte. Dass auch der Grüne Nachnachfolger kein Freund der Neuauflage ist, darf man getrost unterstellen. Allerdings ist er damit ganz anders umgegangen als Klestil. Sehr pragmatisch nämlich.

Zur Begrüßung der aufgereihten neuen Regierung aus einem Kanzler, 13 Ministern und zwei Staatssekretären preist Van der Bellen zunächst einmal ausgiebig die Gespräche, die er in den vergangenen Wochen begleitend zu den Koalitionsverhandlungen mit den Parteichefs Sebastian Kurz von der ÖVP und Heinz-Christian Strache von der FPÖ geführt hat. "Konstruktiv" seien die gewesen, sagt er, "das schätze ich sehr, weil wir ja doch eine unterschiedliche politische Herkunft haben".

Doch als er dann die "tragfähigen gemeinsamen Lösungen" hervorhebt, lobt er nicht nur die Regierung, sondern auch sich selbst. Denn er macht deutlich, wie nachdrücklich er im Hintergrund daran mitgewirkt hat, dass diese Regierung ein paar rote Linien nicht überschreitet. Zur Sicherheit spricht er noch einmal den "klaren Konsens" über eine proeuropäische Politik an, die "klare Gewaltenteilung" und die "vorsichtige Vorgehensweise beim Ausbau der direkten Demokratie". Was folgt, sind Mahnungen für die Zukunft, die er im Angesicht der neuen Regierungsmannschaft für unverzichtbar hält: "Besondere Achtsamkeit beim Gebrauch unserer Sprache" fordert er ein, ebenso "Respekt vor Andersdenkenden und Minderheitenrechten".

Dass man solch einen Akt zugleich würdevoll und lässig absolviert kann, zeigt Van der Bellen bei der offiziellen Angelobung, bei der von Sebastian Kurz abwärts jedes Regierungsmitglied aufgerufen wird, die Treue zur Verfassung zu bekunden. "Ich werde mir erlauben, alle akademischen Titel wegzulassen, das ist mir zu umständlich", erklärt er. Das hat es in Österreich wohl noch nie gegeben, und trotzdem gibt es am Ende eine neue Regierung.

Demonstrationen weiträumig abgesperrt

Ungestört und harmonisch geht die Zeremonie über die Bühne. Das liegt allerdings nicht nur am Präsidenten, sondern auch an der Polizei, die das Regierungsviertel gegen Demonstrationen weiträumig abgesperrt hat. Verhindert werden soll so, dass am Ende doch noch wie im Jahr 2000 die neue Regierung durch einen unterirdischen Gang hinüber in die Hofburg huschen muss. Gut gesichert schlendert der Tross an diesem Tag also über den Ballhausplatz. "Hoch erhobenen Hauptes", merkt der Vizekanzler Strache an. Nur von Ferne dringen die Trillerpfeifen und Sprechchöre vom eingezäunten Protest auf dem Heldenplatz hinüber.

"Wenn sie es schon geschafft haben, dass sie uns nicht sehen müssen, dann sollen sie uns wenigstens hören", sagt Dagmar Schindler, die auf ihrer roten Weste als "Demoleitung" ausgewiesen wird. Vom frühen Morgen an sind die Protestzüge von verschiedenen Seiten aufmarschiert. "Gegen Rassismus und Sozialabbau" lautet das Motto. Auf Plakaten wird aber auch "Liebe statt Faschismus" gefordert und, mit Blick auf Studiengebühren: "Basti, studier selber erst mal fertig". Die Polizei spricht von gut 5000 Teilnehmern. Größere Krawalle bleiben aus.

Dagmar Schindler von der Demoleitung erwartet, dass das erst der Anfang einer neuen Protestwelle gewesen ist. Die nächsten Demo-Termine gibt sie per Lautsprecheransage durch. Danach scheppert Georg Kreisler aus den Boxen, und drüben im Regierungsviertel ziehen die neuen Minister in ihre Ämter ein.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2017/lalse
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