Neue Regierung in Kopenhagen:Dänemark lockert Ausländerrecht

Machtwechsel in Dänemark: Helle Thorning-Schmidt ist die erste Frau an der Spitze eines Kabinetts. Erstmals regiert auch eine Partei links der Sozialdemokraten mit. Das Bündnis will in der Ausländerpolitik Zeichen setzen - doch in den Koalitionsverhandlungen musste Thorning-Schmidt viele Zugeständnisse machen.

Gunnar Herrmann, Stockholm

Dänemarks neue Regierung will die Ausländergesetze des Landes lockern und auf die umstrittenen Grenzkontrollen verzichten. Helle Thorning-Schmidt, die neue Ministerpräsidentin, stellte am Montag in Kopenhagen Königin Margrethe ihr Kabinett vor. Die 44-jährige Sozialdemokratin Thorning- Schmidt ist die erste Frau an der Spitze einer dänischen Regierung. Sie hatte die Parlamentswahl am 15. September knapp für sich entscheiden können und bildet nun eine Dreierkoalition mit Volkssozialisten (Socialistisk Folkeparti) und den Sozialliberalen (Det Radikale Venstre). Die Minderheitsregierung ist im Parlament auf die sozialistische Einheitsliste (Enhedslisten - de rød-grønne) angewiesen.

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Die neue dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt stellt ihre Regierung vor: Bei den Verhandlungen mit den Koalitionspartnern musste sie viele Zugeständnisse machen.

(Foto: AP)

Dem Wahlsieg waren im September schwierige Verhandlungen gefolgt. Thorning-Schmidt musste die Interessen sehr unterschiedlicher Partner miteinander vereinen. Die meisten Kommentatoren der dänischen Zeitungen sehen nun die linksliberalen Radikalen und deren Chefin Margrethe Vestager als Siegerin des Ringens. Die Partei hatte am 15. September überraschend viele Stimmen gewinnen und die Zahl ihrer Mandate von neun auf 17 steigern können.

Sozialdemokraten und Sozialistische Volkspartei hatten dagegen im Vergleich zur Wahl 2007 Stimmen verloren. Vestager hatte also eine starke Position in den Koalitionsverhandlungen. Sie bekommt im neuen Kabinett den Posten der Innen- und Wirtschaftsministerin. Villy Søvndal, Chef der Volkssozialisten, wird wie erwartet neuer Außenminister.

Finanzminister wird der Sozialdemokrat Bjarne Fog Corydon, bislang Thorning-Schmidts Berater. Corydon sitzt in dieser Wahlperiode erstmals im Parlament. Ursprünglich hätte der frühere Fraktionsgeschäftsführer der Sozialdemokraten, Henrik Sass Larsen, das Finanzressort übernehmen sollen. Er hatte aber nach einer Affäre um mutmaßliche Kontakte zu kriminellen Motorradrockern in der vergangenen Woche mitgeteilt, er stehe nicht mehr für das Amt zur Verfügung.

Zugeständnisse an die Linksliberalen

In der Finanz- und Sozialpolitik zeigt sich der starke Einfluss der Linksliberalen am deutlichsten. Vestagers Radikale setzten durch, dass eine umstrittene Rentenreform, die noch von der Vorgängerregierung beschlossen wurde, weiter in Kraft bleibt. Unter anderem wird damit die Möglichkeit, in Frührente zu gehen, drastisch eingeschränkt. Sozialdemokraten und Volkssozialisten hatten im Wahlkampf eigentlich versprochen, die Reform rückgängig zu machen.

Auch in anderen Bereichen mussten die beiden linken Parteien den Liberalen Zugeständnisse machen: Pläne für eine "Millionärssteuer" wurden fallengelassen. Die Steuern für Geringverdiener sollen sinken.

Zudem konnte sich Vestager mit ihrer Forderung nach einer weicheren Einwanderungspolitik teilweise durchsetzen. Die Regeln waren in den vergangenen zehn Jahren wiederholt verschärft worden. Grund dafür war vor allem der Einfluss der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, auf deren Stimmen die alte Regierung im Parlament angewiesen war. Vestager hatte vor der Wahl eine Lockerung der Zuwanderungsregeln gefordert. Sozialdemokraten und Volkssozialisten hatten dagegen für eine Beibehaltung der bisherigen harten Linie plädiert.

Bei den Koalitionsverhandlungen einigte man sich nun auf eine komplette Überarbeitung der Ausländergesetze. Zunächst sollen die Regeln von einer Expertenkommission untersucht werden. Einige Dinge werden aber sofort geändert, so dürfen etwa Asylbewerber künftig in Dänemark nach sechs Monaten im Land arbeiten und sich eine Wohnung suchen.

Einigkeit bei Klimaschutz und Europäisierung

Einig waren sich die neuen Koalitionspartner darin, dass die Klimaziele Dänemarks ehrgeiziger werden müssen. Um den Kohlendioxidausstoß zu bekämpfen, werden unter anderem die Steuern für besonders sparsame Autos gesenkt. Die neue Regierung will das Land außerdem näher an die EU heranführen. Vorbehaltsklauseln, die Dänemark bislang einige Sonderrechte in der gemeinsamen Justiz- und Verteidigungspolitik der EU einräumen, wollen die Koalitionspartner noch in dieser Wahlperiode per Volksentscheid abschaffen.

Außerdem sollen die von der Vorgängerregierung beschlossenen Zollkontrollen nicht umgesetzt werden. Die Regierung will stattdessen Geld für andere polizeilichen Maßnahmen gegen grenzüberschreitende Kriminalität bereitstellen.

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