Süddeutsche Zeitung

Neue Regierung in Griechenland:Tsipras will gemeinsame Lösungen mit der EU

  • Der neue griechische Regierungschef Tsipras konnte EU-Parlamentspräsident Schulz offenbar beruhigen. "Es gab die Sorge, dass Alexis Tsipras seinem eigenen Weg folgt, aber das ist nicht der Fall", sagte Schulz nach einem Treffen in Athen.
  • Tsipras nannte nach dem Gespräch als Ziel, Steuerflucht und Korruption in Griechenland massiv zu bekämpfen. Schulz begrüßte dies.
  • Die EZB spricht sich gegen einen Schuldenschnitt aus, der IWF schließt eine Sonderbehandlung aus.
  • Für EU-Kommissionschef Juncker kommt ein Schuldenerlass ebenfalls nicht in Frage, lediglich "gewisse Arrangements".
  • Wirtschaftsminister Gabriel verlangt von Tsipras, Korruption und persönliche Bereicherung in seinem Land zu stoppen.

Tsipras sucht Lösungen auf "gemeinsamer Grundlage"

Griechenlands neuer Regierungschef hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) am Donnerstag davon überzeugen können, dass er keinen Bruch mit der EU anstrebt. "Es gab die Sorge, dass Alexis Tsipras seinem eigenen Weg folgt, aber das ist nicht der Fall", sagte Schulz nach dem Treffen an diesem Donnerstag in Athen. "Griechenland sucht Lösungen auf einer gemeinsamen Grundlage mit seinen europäischen Partnern." Ganz leicht sei das Gespräch jedoch nicht gewesen, berichtete Schulz. Es habe auch "viel Kraft gekostet", und es gebe Themen, die noch geklärt werden müssten.

Auch Tsipras bekräftigte seine Bereitschaft, mit den europäischen Partnern zu verhandeln. "Wir wollen gemeinsam einen Weg zu mehr Wachstum, Jobs und sozialer Sicherheit finden", sagte er. Europa werde "stärker als je zuvor" aus den Verhandlungen hervorgehen.

Tsipras will Korruption und Steuerflucht in seinem Land bekämpfen. "Wir sind fest entschlossen, das üble Verhältnis zwischen Oligarchie und dem korrupten Steuersystem zu beenden", sagte Tsipras nach dem Treffen mit Schulz. Die neue Regierung wolle "radikale Änderungen" durchsetzen, um Steuerflucht und Steuervermeidung zu beenden. Dies sei begrüßenswert, lobte Schulz.

Schulz war der erste hohe EU-Repräsentant, der Tsipras nach dessen Ernennung am Montag traf. Tsipras' Linkspartei Syriza hatte die Wahl am Sonntag mit großem Vorsprung gewonnen und mit der rechtspopulistischen Partei Anel eine Koalition gebildet. Die neue Regierung löste mit einer Teilabkehr vom bisherigen Spar- und Reformkurs sowie mit Drohungen, neue Russland-Sanktionen der EU zu blockieren, Befürchtungen einer Spaltung Europas aus.

Schulz: "Griechenland muss sich weiter an die Spielregeln halten"

Vor seinem Besuch in Athen sagte Martin Schulz der Bild-Zeitung, er wolle mit dem linken Regierungschef Alexis Tsipras "sicherlich Tacheles reden". Tsipras wisse, dass er einen Kompromiss schließen müsse und nicht alles durchsetzen könne, was er im Wahlkampf versprochen habe. "Ich bin gespannt darauf zu hören, was seine Finanzierungsvorschläge sind." Zugleich machte er klar: "Für einen Schuldenschnitt gibt es in der EU keine Mehrheit."

Die Europäische Zentralbank (EZB) schloss eine Beteiligung an einem Schuldenschnitt aus, den auch die EU-Finanzminister ablehnen. EZB-Direktor Benoit Coeuré sagte der italienischen Zeitung Corriere della Sera: "Griechenland muss sich weiter an die Spielregeln halten: Wir sind eine Zweckgemeinschaft." Auch der IWF, an den Griechenland in diesem Jahr 8,6 Milliarden Euro zurückzahlen muss, hat eine Sonderbehandlung ausgeschlossen. Die Kredite der Euro-Partner und des EFSF werden erst nach 2020 fällig.

Am Freitag kommt Eurogruppenchef Dijsselbloem

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte dem Pariser Figaro, die Griechen müssten die öffentliche Meinung im Rest von Europa respektieren. So stehe ein Schuldenerlass außer Frage, es seien aber "gewisse Arrangements" möglich. Am Freitag wird Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem in Athen erwartet.

Deutschlands Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) machte klar, dass auch von Tsipras erwartet wird, sein Land in Ordnung zu bringen. "Ich hoffe sehr, dass es der neuen Regierung gelingt, dass System von Korruption, persönlicher Bereicherung und Vorteilsnahme, das sich ungeachtet der Reformprogramme in Griechenland hartnäckig hält, zu zerstören", sagte er im Bundestag. Das Land sei viel zu lange "die Beute von einigen Familien gewesen". Deswegen seien auch nicht die Troika und Europa an seinen Problemen schuld. Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron sagte: "Griechenland hat Verpflichtungen gegenüber der Euro-Zone und muss diese respektieren."

Nach seinem Wahlsieg am Sonntag hatte Tsipras innerhalb kurzer Zeit ein Bündnis mit den rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" geschlossen und damit begonnen, die Sparvereinbarungen mit der Geldgeber-Troika teilweise außer Kraft zu setzen: Große Privatisierungen wie des Hafens von Piräus wurden gestoppt, Tausende Beamte sollen wieder eingestellt, Mindestlohn und Mindestrente wieder angehoben werden.

Börse in Athen erholt sich wieder leicht

Die Börse in Athen brach daraufhin ein, die Renditen für griechische Staatsanleihen schossen in die Höhe. Mittlerweile steigen die Kurse wieder. Zu der leichten Entspannung trug eine zuversichtliche Stellungnahme aus der EZB bei. Danièle Nouy, Leiterin des dort angesiedelten europäischen Bankenaufsichtsmechanismus, sagte dem Finanznachrichtensender Bloomberg Television, trotz der Turbulenzen seien die griechischen Banken "ziemlich stark". "In den zurückliegenden Jahren wurde viel gute Arbeit geleistet, um ihre Bilanzen zu stärken."

Mit dem Stopp der Privatisierung des größten griechischen Hafens in Piräus brachte die Tsipras-Regierung außerdem China auf. Die Regierung in Athen müsse die legitimen Interessen chinesischer Firmen schützen, erklärte das Handelsministerium in Peking. Zu den potenziellen Käufern eines 67-prozentigen Anteils gehörte die chinesische Cosco Group.

Griechenland wird seit fast fünf Jahren von der Euro-Zone und dem IWF mit insgesamt 240 Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 25 Prozent, jeder zweite Jugendliche ist ohne Job. Finanzpolitisch haben die Geldgeber die deutlich bessere Position. So steht die Auszahlung weitere 7,2 Milliarden Euro aus, weil es noch keine Einigung mit den Troika-Kontrolleuren über die Fortschritte des griechischen Sanierungsprogramms gibt. Außerdem hinkt die Regierung bei den Steuereinnahmen hinterher und muss dieses Jahr mehr als 20 Milliarden Euro an Zinsen und Tilgungen für auslaufende Darlehen bezahlen, etwa an die EZB.

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