Neue Regierung in den USA:Obama setzt alle Guantanamo-Verfahren aus

Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt macht sich der neue US-Präsident Barack Obama daran, die Militärtribunale im umstrittenen Gefangenenlager Guantanamo Bay zu beenden. Außerdem lässt er die letzten Verfügungen seines Vorgängers George W. Bushs blockieren.

Die Zeitenwende in den Vereinigten Staaten zeigt sich in den ersten politischen Amtshandlungen von Präsident Barack Obama. Der neue Staatschef ordnete über das Verteidigungsministerium an, alle Terrorismus-Verfahren im umstrittenen Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba auszusetzen.

Barack Obama USA Präsident dpa

Der neue Oberkommandierende der US-Streitkräfte: Barack Obama.

(Foto: Foto: dpa)

Das Moratorium soll 120 Tage dauern. Während dieser Zeit will die neue Regierung die Rechtmäßigkeit der Verfahren überprüfen.

In dem zweiseitigen Antrag des Pentagons geht es konkret um den Fall von fünf Männern, denen eine Mitwirkung an den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zur Last gelegt wird. Mit einer sofortigen Einstellung der bisherigen Praxis der Verfahren wäre den Interessen der Justiz am besten gedient, heißt es in dem Dokument. Es wird erwartet, dass ein Militärrichter an diesem Mittwoch eine Entscheidung dazu trifft.

Obama hatte bereits im Wahlkampf für den Fall eines Sieges eine Schließung des Lagers angekündigt, wo durch Folter versucht wurde, den Gefangenen Informationen abzupressen. In Guantanamo werden zur Zeit noch rund 245 Terrorverdächtige festgehalten, viele von ihnen bereits seit sieben Jahren ohne Anklage oder Prozesse.

Nur etwa 20 Gefangene sollten sich nach bisherigem Stand demnächst als Kriegsverbrecher vor Militärkommissionen verantworten, das heißt Sondergerichten, die von der Regierung von George W. Bush eigens zur Aburteilung von Guantanamo-Insassen geschaffen wurden.

Beobachter erwarten, dass Obama die Militärtribunale auflöst und dafür neue, rechtlich unumstrittene Gerichtsverfahren in den USA anordnet.

Erstes Verfahren gestoppt

Unterdessen ist im US-Gefangenenlager das erste Verfahren ausgesetzt worden. Ein Richter gab dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt, nicht weiter gegen den Kanadier Omar Chadr zu ermitteln. Dieser war bei seiner Gefangennahme 15 Jahre alt. Ihm wird vorgeworfen, einen US-Soldaten in Afghanistan ermordet zu haben. Weitere Richtersprüche werden erwartet.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Barack Obama noch in seiner ersten Amtsnacht entschied.

Obama setzt alle Guantanamo-Verfahren aus

Außerdem ließ Obama alle noch nicht rechtskräftigen Verfügungen seines Vorgängers Bush blockieren. Ein entsprechendes Memorandum des neuen Stabschefs im Weißen Haus, Rahm Emanuel, wurde nach einer offiziellen Mitteilung noch am Tag der Vereidigung Obamas an alle Ministerien und Bundesbehörden verschickt.

Darin hieß es, dass die neue Regierung vor einem Inkrafttreten erst eine Überprüfung vornehmen wolle.

Das Blockieren von Anordnungen, die ein Präsident kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt verfügt, ist nach Medienberichten ein üblicher Vorgang nach einem Wechsel im Weißen Haus. Demnach gehört zu den von Bush praktisch noch in letzter Minute veranlassten Neuregelungen das Tragen verdeckter Waffen in bestimmten Nationalparks.

Obama ruft Generalität zusammen

Obama, der den Tag seiner Amtseinführung mit einer rauschenden Ballnacht beendete, will an diesem Dienstag unverzüglich die Amtsgeschäfte beginnen. Das Präsidialamt erklärte, der Staatschef treffe sich mit Wirtschaftsberatern, um das geplante Konjunkturpaket zu besprechen.

Neben der Wirtschaftskrise will Obama offenbar auch bald Klarheit in der Militärstrategie schaffen. Zu ersten Beratungen über die Lage im Irak und in Afghanistan wurden der alte und neue Verteidigungsminister Robert Gates sowie Generalstabschef Mike Mullen und weitere Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats eingeladen.

Über eine Videoleitung sollen die Kommandeure im Irak und in Afghanistan, General Ray Odierno und General David McKiernan zugeschaltet werden.

Obama hatte im Wahlkampf angekündigt, dass er innerhalb von 16 Monaten nach Amtsantritt alle Kampftruppen aus dem Irak abziehen will. In seiner ersten Rede als Präsident und als Oberbefehlshaber der Streitkräfte sagte Obama, er werde "damit beginnen, den Irak auf verantwortungsvolle Weise seiner Bevölkerung zu überlassen, und einen hart erkämpften Frieden in Afghanistan zu schließen".

Hillary Clinton muss warten

Die Ministerriege Obamas ist inzwischen auch vollständig im Amt. Inmitten der Feiern zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Barack Obama gab der Senat grünes Licht für die Berufung von sechs seiner Minister-Kandidaten.

Lesen Sie weiter über Hillary Clintons noch ausstehende Bestätigung im Senat.

Obama setzt alle Guantanamo-Verfahren aus

Das Weiße Haus von innen - hier geht's zur Grafik

White House



Bestätigt wurden Medienberichten zufolge nach vorheriger Absprache durch einstimmigen Zuruf Steven Chu (Energie), Arne Duncan (Bildung), Janet Napolitano (Heimatschutz), Ken Salazar (Inneres), Tom Vilsack (Agrar) und Eric Shinseki (Veteranen-Angelegenheiten) sowie Budgetdirektor Peter Orszag.

Ex-First Lady Hillary Clinton muss dagegen noch bis zu diesem Mittwoch auf ihren offiziellen Titel der US-Außenministerin warten. Ein Republikaner im 100-köpfigen Senat sperrte sich am Dienstag gegen eine einstimmige Bestätigung und erzwang damit eine direkte Abstimmung durch Einzel-Namensaufrufe am Mittwoch.

Der republikanische Senator John Cornyn aus Texas begründete seine Weigerung damit, dass er weiterhin besorgt über ausländische Spenden sei, die Hillary Clintons Mann, Ex-Präsident Bill Clinton, für eine von ihm gegründete Stiftung eingestrichen hatte. Die Ex-First Lady habe seine Bedenken, dass die Aktivitäten Bill Clintons zu einem Interessenkonflikt führen könnten, bisher nicht zerstreuen können.

Clintons Berufung als Außenministerin gilt jedoch als sicher: Der Auswärtige Ausschuss des Senats hatte in der vergangenen Woche der gesamten Kammer bei einer Gegenstimme empfohlen, grünes Licht für Hillary Clintons Berufung zu geben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: