Neue RegierungInnenminister Dobrindt verstärkt Grenzkontrollen

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Die bisherige Ministerin und ihr Nachfolger: Nancy Faeser und Alexander Dobrindt bei der Amtsübergabe am Mittwoch.
Die bisherige Ministerin und ihr Nachfolger: Nancy Faeser und Alexander Dobrindt bei der Amtsübergabe am Mittwoch. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Die neue Bundesregierung will gleich Härte beim Thema Migration zeigen, auch mit umstrittenen Zurückweisungen von Asylbewerbern. Kanzler Merz reist nach Paris und Warschau.

Von Markus Balser und Henrike Roßbach, Berlin

Die neue Bundesregierung will vom ersten Tag ihrer Amtszeit an mit neuer Härte gegen illegale Migration vorgehen. Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ließ am Mittwoch bereits direkt nach seiner Amtsübernahme die Kontrollen an Deutschlands Außengrenzen verstärken. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen sollen die aktuell 11 000 Beamten um bis zu 3000 Kräfte der Bundespolizei aufgestockt werden.  Nach mündlicher Anweisung durch den neuen Innenminister sei der „Aufwuchs von Kräften an der Grenze angelaufen“, hieß es im Innenministerium.

Uner der Regierung von Friedrich Merz (CDU) soll es zu einem regelrechten Paradigmenwechsel in der Grenzpolitik kommen. Nicht nur die Kontrollen würden Schritt für Schritt erhöht, kündigte Dobrindt am Abend an. Es werde Zurückweisungen von Migranten in Asylfällen geben. Dies galt bislang als rechtlich ausgeschlossen.  Eine gegenteilige Weisung seines Vorgängers Thomas de Maizière aus dem Jahr 2015 habe er zurückgenommen, sagte Dobrindt.

Es gehe der Regierung darum, in Europa klarzumachen, dass sich die deutsche Politik geändert habe. Die Flüchtlingszahlen seien nach wie vor zu hoch, das Asylsystem „dysfunktional“, so Dobrindt. „Es geht in dieser Frage um Klarheit, Konsequenz und Kontrolle.“ Die Bundesregierung will sich für die neue Grenzpraxis auf eine Notlageklausel der EU berufen. Ob das vor Gerichten Bestand haben wird, ist allerdings fraglich. Die Zahl der Erstanträge auf Asyl in Deutschland war zuletzt stark gesunken. Im ersten Quartal gab es noch 36 000 Anträge –  30 000 weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum.

Am Mittwoch blieb unklar, wann diese Maßnahmen greifen sollen. Sie könnten zu heftigem Streit mit Deutschlands Nachbarn führen. Länder wie Polen oder Österreich hatten einen solchen Schritt im Vorfeld als Bruch europäischen Rechts kritisiert. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, solche Zurückweisungen nur in Abstimmung mit den Nachbarländern vorzunehmen. Die Gespräche mit den Nachbarn liefen noch, sagte Dobrindt. Auch bei Menschenrechtsorganisationen dürften die Pläne Protest auslösen. Dobrindt will nur noch vulnerable Gruppen wie Kinder oder schwangere Frauen in Asylfällen einreisen lassen.

Berlin und Paris planen Innovationen im Verteidigungsbereich

Unterdessen ist Friedrich Merz, der am Dienstag erst im zweiten Wahlgang ins Amt gewählt worden war, am Mittwochmorgen zu seiner ersten Auslandsreise als Kanzler aufgebrochen. Seine Reiseziele: erst Paris, am Abend dann Warschau. Er wolle ein Zeichen nach innen und nach außen setzen, sagte er auf dem Flug, dass er sich für eine gute Zusammenarbeit gerade mit diesen beiden Ländern einsetzen und „ein bisschen auch einen Neustart“ einleiten wolle.

In Paris kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron einen „deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat“ und ein gemeinsames Programm für Innovationen im Verteidigungsbereich an, „um bahnbrechende Innovationen zu ermöglichen, die für den Krieg von morgen notwendig sind“. Merz sagte, er wolle mit Frankreich und Großbritannien über die künftige atomare Abschreckung in Europa sprechen; als Ergänzung zum atomaren Schutzschild durch die USA. In Warschau warnte Polens Ministerpräsident Tusk* Friedrich Merz davor, migrationspolitische Probleme auf Kosten der Nachbarn zu lösen.

Merz und Macron vor dem Élysée-Palast.
Merz und Macron vor dem Élysée-Palast. (Foto: Blondet Eliot/ABACA/IMAGO)

Während der Regierungschef im Ausland unterwegs war, bekamen seine Minister in Berlin ihre jeweiligen Ressorts übergeben. Mit drei Ausnahmen: Das Auswärtige Amt und das Agrarministerium waren  bereits am Dienstag an die neuen Chefs übergeben worden, Ersteres an Johann Wadephul (CDU), Letzteres an Alois Rainer (CSU) – und im Verteidigungsressort ist der neue Minister mit Boris Pistorius (SPD) auch der alte.

Genau wie im Innenministerium machten auch in anderen Häusern die neuen Ressortchefs deutlich, dass es sofort losgehen werde mit der Arbeit. Der neue Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagte bei der Amtsübergabe: „Es ist mein Anspruch, dass wir im Kabinett vor der Sommerpause den Haushalt haben.“ Andere ließen durchblicken, dass sie neue Akzente setzen wollen – trotz all der lobenden Worte, die bei so einer Amtsübergabe über den Vorgänger fallen. Katherina Reiche (CDU) etwa, die das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) übernimmt, sagte am Mittwoch: „Ich glaube, dass wir wieder mehr ermöglichen müssen“, mit einer Politik, „die reguliert, ja, aber auch aktiviert und Marktteilnehmer ein Stück in die Eigenverantwortung nimmt“. In der Energiepolitik forderte sie zudem einem „Realitätscheck“.

Viele Minister müssen ihre Häuser umorganisieren

Neben der inhaltlichen Arbeit werden die Minister auch ihre Häuser neu organisieren müssen. Am späten Dienstagabend billigte das Kabinett in seiner ersten Sitzung noch den „Organisationserlass“, der festlegt, welche Ressorts welche Zuständigkeiten bekommen. Reiches Ministerium etwa verliert die Klima-, Raumfahrt- und Transformationspolitik, letztere wandert ins Finanzressort. Der Verbraucherschutz kehrt vom Umwelt- ins Justizministerium zurück, das Familienministerium bekommt die Bildungspolitik hinzu – und die Zuständigkeiten von Digitalminister Karsten Wildberger (parteilos) werden sogar aus fünf Häusern plus Kanzleramt zu ihm verlagert.

* Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise "Musk" statt "Tusk" geschrieben.

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