Neue Regeln:Das ändert sich für den Verfassungsschutz

Bundesamt für Verfassungsschutz

Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln soll stärker als bisher zur "Zentralstelle" werden.

(Foto: dpa)
  • Das Kabinett hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den Verfassungsschutz neu regelt.
  • Damit reagiert die Regierung auf Empfehlungen einer Bund-Länder-Kommission und des NSU-Untersuchungsausschusses.
  • Unter anderem soll das Bundesamt für Verfassungsschutz weiter als Zentralstelle etabliert werden. Für den Einsatz von V-Leuten und das Schreddern von Akten werden klarere Regeln getroffen.

Von Tanjev Schultz

Die Bundesregierung stärkt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und stellt den Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern auf eine gesetzliche Grundlage. Auch der Datenschutz und das Vernichten von Akten beim BfV werden neu geregelt.

Das Kabinett das "Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes" verabschiedet. Damit reagiert Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auch auf die Empfehlungen einer Bund-Länder-Kommission und des NSU-Untersuchungsausschusses. Die neuen Regeln im Überblick.

Bundesamt als "Zentralstelle": Das BfV soll noch stärker als bisher eine "Zentralstellenfunktion" wahrnehmen. Das bedeutet, dass es die Erkenntnisse über extremistische Umtriebe, die in den Landesämtern gesammelt werden, besser zusammenführen soll. Vor allem bei "gewaltorientierten Bestrebungen" soll sich das BfV einschalten, weil diese grundsätzlich "gesamtstaatlich" bedeutsam seien, wie es in der Begründung des Gesetzes heißt.

Das Bundesamt soll die Arbeit der anderen Verfassungsschutzbehörden koordinieren und auch Verbunddateien führen. Es soll die Landesämter technisch und bei Fortbildungen unterstützen. Das ist allerdings schon längst gängige Praxis.

An der Eigenständigkeit der Landesämter ändert sich nichts. Es bleibt beim föderalen Aufbau des Sicherheitsapparats. Das BfV darf auch weiterhin nicht einfach so in einem Bundesland aktiv werden und dort Informationen sammeln. Es muss sich mit der jeweiligen Landesbehörde zuvor abstimmen - sich mit ihr "ins Benehmen setzen", wie es im Juristendeutsch heißt.

Fusionen sind möglich: Bisher unterhält jedes der 16 Bundesländer eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Nun wird im Bundesgesetz ausdrücklich eine Fusion erlaubt: "Mehrere Länder können eine gemeinsame Behörde unterhalten." Ob sie je davon Gebrauch machen werden, ist damit freilich nicht gesagt.

Einsatz von V-Leuten: Erstmals werden für das Anwerben und Führen von "Vertrauensleuten" (V-Leuten) gesetzliche Vorgaben gemacht. Gemeint sind Mitarbeiter, die im Nebenerwerb für den Verfassungsschutz aus extremistischen Kreisen berichten. Es sind keine Beamten und keine hauptamtlichen Mitarbeiter der Behörden. V-Leute müssen volljährig sein, sie dürfen zudem nicht "auf Dauer" vom Geld des Verfassungsschutzes abhängen ("als alleinige Lebensgrundlage").

Zudem soll es nicht erlaubt sein, Personen als V-Leute anzuwerben, die an einem Aussteigerprogramm teilnehmen. Auch Parlamentarier sind als Spitzel tabu, verurteilte Straftäter ebenfalls. V-Leute dürfen nicht eingesetzt werden, um eine strafbare Vereinigung zu gründen; und sie dürfen keinen "steuernden" Einfluss auf die extremistischen Bestrebungen einer Gruppierung ausüben. Diese Vorgaben gelten ebenso für verdeckt arbeitende, hauptamtliche BfV-Mitarbeiter, die in eine extremistische Szene eingeschleust werden.

Begehen von Straftaten: V-Leute und verdeckte Mitarbeiter dürfen sich laut dem neuen Gesetz an einer strafbaren Vereinigung als Mitglied oder Unterstützer beteiligen. Sonst könnten sie keine Informationen von dort liefern. In diesem Punkt bestand bisher eine große Rechtsunsicherheit.

Staatsanwälte können außerdem davon absehen, Vergehen zu verfolgen, die V-Leute oder verdeckte Mitarbeiter "im Einsatz" begangen haben. Gemeint sind damit wohl vor allem - ohne dass dies im Gesetz konkretisiert wird - szenetypische Straftaten; im Falle von Neonazis beispielsweise der Erwerb verbotener Musik oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Bei Straftaten "von erheblicher Bedeutung" soll der Einsatz unverzüglich beendet werden. Ausnahmen sind möglich. Über sie darf der Behördenleiter entscheiden.

Vernichten von Akten: Nach dem Schredder-Skandal im BfV gibt es nun präzisere gesetzliche Regeln zur Aktenvernichtung. Spätestens nach fünf Jahren ist zu prüfen, ob Akten noch gebraucht werden. Eine Vernichtung unterbleibt, wenn die Akte nach dem Bundesarchivgesetz von "bleibendem Wert " ist und dem Bundesarchiv übergeben wird.

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