Neue Rechte in den USA:Trump und der Traum vom weißen Amerika

Donald Trump, Steve Bannon

Donald Trump und sein Chef-Stratege, der ultrarechte Politberater Steve Bannon, in Gettysburg Ende Oktober.

(Foto: AP)

Durch den Wahlsieg von Donald Trump sieht die rassistische "Alt-Right"-Bewegung ihre Zeit gekommen. Welche Rolle werden die extremen neuen Rechten in den USA spielen?

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Ein deutscher Kampfbegriff macht Karriere. "Lügenpresse, Lügenpresse", skandierten die Konferenz-Besucher des neurechten "National Policy Institute" (NPI) am Samstagabend in Washington. Dessen Gründer und Präsident des Thinktanks, Richard Spencer, hatte gerade die "Mainstream-Medien" abgeurteilt, nachdem er seine Rede mit "Heil Trump, Heil unserem Volk, Heil dem Sieg" begonnen hatte.

Doch Spencer war an diesem Abend noch nicht fertig: "Amerika war bis zu dieser letzten Generation ein weißes Land, für uns und unsere Nachkommen entworfen", schloss der Chefideologe der "Alt-Right"-Bewegung. "Es ist unser Werk, unser Erbe und es gehört uns." Standing Ovations und Hitlergrüße aus dem Publikum folgten.

Amerikas Neonazis waren in den vergangenen Jahrzehnten irrelevant, sie waren nur irgendwie Teil der amerikanischen Folklore, als Land der freien Meinungsäußerungen auch Aufmärsche in NS-Uniformen ertragen zu können. Doch aus den Uniformen sind längst Anzüge geworden, der Nazi-Skinhead hat "weißen Nationalisten" Platz gemacht. Und spätestens seit der Wahl Donald Trumps steht eine unangenehme Frage im Raum: Ist die Republikanische Partei nicht nur die neue Heimat des nationalistischen Populismus, sondern womöglich sogar Vehikel für eine ethnonationalistische Bewegung mit einem von Rassismus durchsetzten Weltbild?

November 19 2016 Washington DC USA Two protesters were arrested after a man believed to be pa

Demonstranten zogen am Samstag in Washington vor das Reagan Building, in dem der "Alt-Right"-Thinktank NPI unter ihrem Gründer Richard Spencer tagte.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Das Geburtsjahr der "Alt-Right", die in manchen Zügen den "Identitären" in Deutschland ähnelt, ist nicht zufällig der Herbst 2008: Wie die Tea Party gilt sie als Reaktion auf die Obama-Präsidentschaft. Doch die Tea Party repräsentiert vorwiegend das alternde weiße konservative Amerika und dessen Werte wie "Verfassungstreue". Auch der lange marginalisierte "Paleokonservatismus" in der Republikanischen Partei, eine ultrareaktionäre Gegenbewegung zu Freihandel und imperialistischem Neokonservatismus aus den Achtzigern und Neunzigern, ist plötzlich in das Zentrum der konservativen Ideenwelt eingerückt.

Verachtung für das Establishment

Doch die "Alt-Right"-Bewegung ist etwas anderes. Den typischen "Alt-Right"-Anhänger etwa beschreibt George Hawley, Politologe von der University of Alabama der Washington Post als "männlichen weißen Millenial, mit Uni-Abschluss oder gerade eine Uni besuchend." Mit republikanischen Werten wie (christlicher) Religion, hegemonialer Außenpolitik oder einem zurückgezogenen Staat, die während der Prä-Trump-Ära dominierten, hätten sie nicht viel am Hut, so Hawley, der zahlreiche Interviews mit "Alt-Right"-Anhängern geführt hat. Die Neurechten eint vielmehr die Verachtung für das politische und gesellschaftliche Establishment, eine grimmige Wut auf vermeintliche Diskurs-Tabus und die Bevorzugung von Minderheiten durch den progressiven Teil des Landes.

Solche Klagen sind unter republikanischen Wählern inzwischen verbreitet und finden sich auch direkt oder indirekt in der Rhetorik des künftigen Präsidenten. Allerdings steht am Anfang und Ende jeder Debatte des "Alt-Right"-Neonazitums die ethnische Identität - das "wir" der weißen Rasse oder des weißen Mannes gegen das "andere". Das können kulturfremde Einwanderer sein, Muslime, politische korrekte Linke oder softe Mainstream-Republikaner. Auch Frauenverachtung und Antisemitismus tauchen häufig auf. So fragte NPI-Gründer Spencer am Samstag indirekt, ob Juden "eine Seele haben".

Ein einheitliches Weltbild gibt es jedoch nicht. Man solle "Alt-Right" eher als "kollektives Identitäts-Experiment " denn als Bewegung begreifen, analysierte deshalb im Mai der Autor Benjamin Wallace-Wells im New Yorker. Bislang agieren die Anhänger vor allem online, etwa 5000 Twitter-Konten wurden ihnen zugeordnet, gerade besiedeln und prägen sie das Netzwerk Gab.ai.

Dass die Strömung größer erscheint, als sie womöglich ist, liegt an einer Omnipräsenz von Troll-Ritualen mit rassistischen Memes und Attacken gegen politisch Andersdenkende (inklusive moderater Republikaner), Frauen oder Minderheiten. Selbst unter manchen Konservativen wurden "Alt-Right"-Vertreter lange als "jungfräuliche Männer, die im Keller ihrer Eltern vor dem Computer sitzen" verspottet.

Donald Trump aber hat sich aus dem programmatischen "Alt-Right"-Fundus für seinen Wahlkampf bedient: Abschottung des Handels und gegenüber Einwanderern, der Kampf gegen politische Korrektheit und eine Konzentration auf die weiße Wählerschaft - damit hat er einen Nerv getroffen. Und er hat Stephen Bannon, einen seiner wichtigsten Einflüsterer, zu seinem künftigen Chef-Strategen bestimmt. Bannon war Chef der Online-Rechtsausleger-Seite Breitbart, die er selbst als "Plattform der Alt-Right" bezeichnet hat. Inzwischen äußert er sich allerdings zurückhaltender über die Neonazis.

Deren Ziel, das Spencer und seine Mitstreiter wie der internationale Netzwerker Jared Taylor ausrufen, erscheint wie eine groteske rassistische Utopie: Ein friedlich herbeigeführter "Ethno-Staat" auf dem amerikanischen Kontinent, der dem "europäisch geprägten" (lies: der weißen) Bevölkerung vorbehalten ist und zum Refugium für Weiße aus aller Welt werden soll.

Eine solche Idee dürften die allermeisten US-Bürger als zutiefst unamerikanisch empfinden. Der Mythos des Landes hat immer noch die Flagge als verbindendes Element einer Nation von Einwanderern.

Doch schon eine Umkehr des Trends, unterfüttert durch Trumps Wahlkampf-Rhetorik, könnte viel verändern. Die Politologin Nicole Hemmer, Autorin des Buches "Messages from the Right", erinnerte daran, dass Minderheiten- und Bürgerrechte erst seit 50 Jahren durch das Rechts- und Verfassungssystem abgesichert seien. "Wir wissen, dass wir ein System haben, das zu einer unglaublichen Menge an Antiliberalismus fähig ist." Wie begründet solche Sorgen sind, wird sich in den kommenden vier Jahren erweisen. Spencer hat angekündigt, mit seinem Alt-Right-Thinktank NPI nun häufiger politische Vorschläge machen zu wollen.

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