Neue Grünen-Fraktionschefs:Zaghaft in die Zukunft

Fraktionssitzung Grüne

Der weibliche und der männliche Teil der neuen Doppelspitze bei der Bundestagsfraktion der Grünen: Katrin Göring-Eckhardt und Anton Hofreiter.

(Foto: dpa)

Vorsichtige Erneuerung an der Grünen-Spitze: Katrin Göring-Eckardt, die für den missglückten Wahlkampf mitverantwortlich ist, darf an prominenter Stelle weitermachen - als Fraktionschefin im Bundestag. An ihrer Seite in der Doppelspitze steht Anton Hofreiter. Für ein wenig Neues.

Von Michael König, Berlin, und Oliver Klasen

Die Grünen haben ein besonders inniges Verhältnis zur ausgeglichenen Balance. Traditionell agiert sowohl in der Partei als auch in der Bundestagsfraktion eine Doppelspitze: Realos und Linke, Frau und Mann - mit diesen beiden Gegensatzpaaren sind die beiden wichtigsten Regeln für die Besetzung grüner Führungsämter beschrieben.

An diesem Dienstag, bei der Wahl der neuen Fraktionsspitze, kam noch ein drittes hinzu: Kontinuität und Erneuerung.

Katrin Göring-Eckardt, die Hälfte der neuen Fraktionsführung bilden wird, steht für die Kontinuität. Der bayerische Verkehrspolitiker Anton "Toni" Hofreiter, der bisher außerhalb seines Bundeslandes nur wenigen Menschen bekannt sein dürfte, steht als Ko-Fraktionschef für die Erneuerung. Ähnlich sieht es an der Parteispitze aus, die auf einem Parteitag Mitte Oktober gewählt werden wird: Cem Özdemir will seinen Posten als Parteichef behalten. Den weiblichen Part will Simone Peter übernehmen, ehemals Umweltministerin im Saarland. Sie löst Claudia Roth ab, die nicht mehr antritt.

Auch die bisherigen Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast verabschiedeten sich nach der Bundestagswahl von ihren Posten. Göring-Eckardt, seit 2005 Vizepräsidentin des Bundestags und im November 2012 von der grünen Basis zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gewählt, aber bleibt.

Zwar war das magere Ergebnis von 8,4 Prozent auch ihr angelastet worden. Der Wahlkampf, den der ehemalige Grünen-Anführer Joschka Fischer als "grottenschlecht" abstempelte, trug auch ihr Gesicht.

Ihr Streben nach der Fraktionsspitze war deshalb in der Partei nicht unumstritten, doch in einer Kampfabstimmung setzte sich Göring-Eckardt mit 41 zu 20 Stimmen bei zwei Enthaltungen gegen Kerstin Andreae durch.

Ein "überzeugendes Ergebnis", fand Göring-Eckardt, die zwar dem Realo-Flügel angehört, mit ihrer Betonung sozialer Themen aber viele Anhänger bei den Parteilinken hat. Das kam ihr bei der Wahl zugute. Es gehe in der kommenden Legislaturperiode nicht nur um die Energiewende, "sondern um die Lebensqualität auf unserem Planeten", sagte Göring-Eckardt nach ihrer Wahl.

An ihrer Seite: Anton Hofreiter, Vertreter des linken Flügels. Er war ohne Gegenkandidat angetreten und erhielt 49 von 63 Stimmen. Noch besser schnitt Britta Haßelmann ab, die neue Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion. Die Bielefelderin erhielt 60 Stimmen und tritt die Nachfolge von Volker Beck an, der erklärt hatte, nicht mehr für ein Führungsamt zur Verfügung zu stehen.

Kontinuität oder Erneuerung? Beide Fraktionsvorsitzenden gaben sich Mühe, ihre Wahl als "Aufbruch" zu verkaufen. "Die Verwaltung des Status quo können andere Fraktionen besser", sagte Hofreiter. Der 43 Jahre alte Verkehrsexperte, Bundestagsabgeordneter seit 2005, hatte in seiner Bewerbungsrede betont, die Festlegung der Grünen auf die SPD als einzigen politischen Partner müsse ein Ende haben. Eine Haltung, die - in Zukunft - sowohl schwarz-grüne als auch rot-rot-grüne Bündnisse ermöglichen könnte.

Göring-Eckardt distanzierte sich derweil erneut vom linken Wahlprogramm, das viele Realos wegen der angedachten Steuererhöhungen als Hauptursache für die Wahlpleite ausgemacht hatten. Ihre Konkurrentin Andreae hatte einen "Brückenschlag zur Wirtschaft" angemahnt, ein besseres Verhältnis der Grünen zu Unternehmern. Göring-Eckardt dazu: "Wenn wir ökologische Erneuerung wollen, dann werden wir das an vielen Stellen gemeinsam mit Unternehmern machen wollen und müssen. Auf der anderen Seite ist ganz klar, als Klimaschutzpartei werden wir auch Leitplanken setzen müssen, um deutlich zu machen, wo Grenzen sind."

Andreae gratulierte Göring-Eckardt zu ihrer Wahl. Sie selbst sei "nicht enttäuscht" von der Abstimmungsniederlage: "Es war ein Angebot an die Fraktion, ein Drittel ist dem gefolgt." Göring-Eckardt und sie seien "sehr professionell" mit der Konkurrenzsituation umgegangen. Sie werde nun gemeinsam mit den neuen Fraktionsvorsitzenden daran arbeiten, "dass wir das Thema ökologische Wirtschaft besetzen".

Aus Partei und Fraktion gab es viele Glückwünsche für das neue Spitzenduo, die Freude über die zaghafte Erneuerung übertönte die Rufe nach einem weitergehenden Personalwechsel. "Wir haben zwei gute Leute gewählt", sagte etwa Omid Nouripour, Verteidigungsexperte der Grünen: "Katrin Göring-Eckardt steht für das soziale Gewissen der Partei, Toni ist der Ökologe."

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