Süddeutsche Zeitung

Neue EU-Außenbeauftragte:Europas junge Stimme in der Welt

Federica Mogherini ist Anfang 40, war gerade mal vier Monate Italiens Außenministerin - und wird nun EU-Außenbeauftragte. Beim Gipfeltreffen in Brüssel haben sich die Staats- und Regierungschefs auf die Italienerin geeinigt. Was Sie über Mogherini wissen müssen.

Von Luisa Seeling

Der EU-Sondergipfel in Brüssel hat die italienische Außenministerin Federica Mogherini zur neuen EU-Außenbeauftragten berufen. Das teilte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy am Samstagabend per Twitter mit. Die Sozialdemokratin, die der Britin Catherine Ashton nachfolgt, ist zugleich Stellvertreterin des künftigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker.

Sie ist Linke und Frau - gut für das politische Gleichgewicht in Brüssel

Wenn in der EU die Spitzenposten vergeben werden, spielen informelle Proporz-Regeln eine wichtige Rolle: Es gilt eine Balance zwischen Nord und Süd, Ost und West, großen und kleinen Mitgliedstaaten einzuhalten - und zwischen politisch linken und rechten Kandidaten. Dass Federica Mogherini als Favoritin für das Außenamt ins Rennen geht, hatten EU-Vertreter deshalb schon früh durchblicken lassen. Die 41-Jährige war die einzige offizielle Kandidatin aus den Reihen der europäischen Sozialdemokraten. Ihre Konkurrenten - die Bulgarin Kristalina Georgiewa und der polnische Außenminister Radosław Sikorski - gehören beide dem konservativen Lager an, genau wie Jean-Claude Juncker, der künftige EU-Kommissionschef. Auch dass sie eine Frau ist, war ihr in diesem Fall nützlich. Denn es mangelt an weiblichen Kandidaten für europäischen Spitzenposten, die bis Jahresende besetzt werden müssen.

Die gebürtige Römerin, verheiratete Mutter zweier kleiner Töchter, fand über die Jugendbewegung der nicht mehr existierenden Linksdemokraten DS in die Politik und war von 2008 an Abgeordnete der Partito Democratico (PD). Nach seinem Wahlsieg im Februar 2014 machte Matteo Renzi sie zur Außenministerin.

Dass sie wenig Erfahrung hat, nimmt sie gelassen

Italiens Premier Matteo Renzi hatte sich wochenlang für Mogherini als Außenbeauftragte stark gemacht. Doch der erste Versuch, seine Wunschkandidatin für das Amt durchzusetzen, scheiterte: Auf dem EU-Gipfel Mitte Juli konnten sich die Staats- und Regierungschefs nicht einigen. Sie vertagten sich auf Ende August. Ein Grund für die Skepsis, die Mogherini entgegengebracht wurde: Die 41-Jährige sei zu jung und unerfahren, um der europäischen Außenpolitik in diesen schwierigen Zeiten genug Gewicht zu verleihen. Die französische Zeitung Le Monde kommentierte unbarmherzig: Mogherini erfülle ein entscheidendes Kriterium für das Amt nicht: Ihr fehlten die Erfahrung - "und eine persönliche Aura, die sie dem Amt des EU-Außenbeauftragten hätte verleihen können". Das allerdings wurde auch schon über die scheidende Außenbeauftragte Catherine Ashton geschrieben, als sie 2009 überraschend den Job bekam.

In Italien bemerkten einige Kommentatoren spitz, dass in der Geschichte des Landes nur ein Außenminister jünger als Mogherini gewesen ist, Benito Mussolinis Schwiegersohn. Doch die Außenministerin konterte, ein Generationswechsel sei eben nicht mit 40 Jahren Berufserfahrung vereinbar. Dem Vorwurf, für den Posten der EU-Außenbeauftragten zu unreif zu sein, begegnet sie gelassen: Für eine Frau ihres Alters sei das ein Kompliment.

Sie hat außenpolitische Kompetenz

Mogherini ist zwar erst seit vier Monaten Außenministerin, doch thematisch ist sie schon lange in dem Feld unterwegs. Schon früh interessierte sie sich für Außenpolitik und knüpfte internationale Kontakte. Sie studierte Politikwissenschaften und verfasste ihre Examensarbeit über das Verhältnis von Religion und Politik im Islam. Von 2003 an arbeitete sie für den DS-Parteiapparat in der Abteilung Außenpolitik, deren Leiterin sie später wurde. Sie profilierte sich mit Analysen zur Lage im Irak und Afghanistan sowie zum Friedensprozess im Nahen Osten. Zudem betreute sie die Kontakte zu anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa, zu den US-Demokraten und zu den Friedensbewegungen.

Dass sie politisch nicht nur nach Rom, London oder Berlin blickt, sondern auch nach Brüssel, machte sie schon bei ihrem Amtsantritt als Außenministerin Italiens deutlich: "Der Terrorismus in Libyen, die Krise in der Ukraine oder die Migrationspolitik - es gibt kein Problem, das mit einer nationalen Entscheidung gelöst werden könnte. Wenn man eine echte Lösung will, muss man die mindestens auf europäischer Ebene anstreben."

Den Osteuropäern ist sie zu russlandfreundlich

Vor allem aber Polen und die Länder des Baltikums lehnten Mogherini ab. Sie werfen ihr einen allzu russlandfreundlichen Kurs vor. Mogherini unterstützt das Pipeline-Projekts South Stream, hinter dem das russische Energiekonsortium Gazprom steht. Die Pipeline soll russisches Erdgas unter Umgehung der Ukraine direkt nach Südeuropa transportieren. "South Stream bleibt für Italien und für andere europäische Länder ein wichtiges Projekt für eine sicherer Energieversorgung ganz Europas", sagte Mogherini Anfang Juli, nachdem sie sich mit dem russischen Außenminister Lawrow getroffen hatte. Italien ist nicht nur abhängig von russischen Energielieferungen; auch in anderen Wirtschaftszweigen sind die Beziehungen eng.

Mogherinis erster Staatsbesuch seit Beginn der italienischen Ratspräsidentschaft im Juni führte nach Moskau. Die Bilder, auf denen sie Putin die Hand schüttelt, sorgten in Osteuropa ebenso für Empörung wie die Tatsache, dass sie Putin für Oktober auf einen Mailänder Wirtschaftsgipfel einlud. Als Mogherini sich Mitte Juli nicht durchsetzen konnte, nannte der Guardian den Streit einen "Ost-West-Machtkampf". Diesen Graben wird sie als Außenbeauftragte überwinden müssen.

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