Neue Entwicklung im Fall Edathy:Dubioses aus dem Datenspeicher

Edathy: Bin nicht pädophil und ein Gegner von Kinderpornografie

Mit neuen schweren Vorwürfen konfrontiert: Sebastian Edathy

(Foto: Ole Spata/dpa)

In den Fall Edathy kommt neue Bewegung: Laut Landeskriminalamt hat der frühere Abgeordnete mehrmals strafbares kinderpornografisches Material im Internet aufgerufen.

Von Jochen Becker und Tanjev Schultz

Zuletzt war es still geworden um Sebastian Edathy. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete hatte angekündigt, ein Buch zu schreiben, eine Art Zwischenbilanz seines Lebens. Außerdem müsse er das rechtliche Verfahren abwarten. Im April war dann auf Edathys Facebook-Seite ein Link zu einem Artikel zu finden, versehen mit dem vielsagenden Kommentar: "Kein Kommentar". In dem Artikel wurde Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz zitiert: Was man bisher bei Edathy gefunden habe, sei "nicht strafbar". Es klang so, als würde das Verfahren wegen Kinderpornografie früher oder später eingestellt werden.

Nun gibt es einen neuen Stand. Das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen hat offenbar doch etwas gefunden, es gibt neue Vorwürfe. In seinem Abschlussbericht kommt das LKA nach Informationen von NDR und SZ zu dem Ergebnis, dass Edathy in mehreren Fällen strafbares Material über das Internet aufgerufen haben soll. Dabei handelt es sich nicht um Edathys bereits bekannte Bestellungen bei dem kanadischen Anbieter "Azovfilms", die als strafrechtlich irrelevant gelten.

CD mit jugendpornografischen Videos entdeckt

Das LKA hat Computer-Verbindungsdaten vom Server des Bundestags ausgewertet. Allein im November 2013 sollen mindestens 21 Bilddateien kinderpornografischen Inhalts über Edathys Laptop aufgerufen worden sein. Die Verwaltung des Bundestags stellt den Abgeordneten Laptops zur Verfügung. Zwar hatte Edathy den Computer im Februar dieses Jahres als gestohlen gemeldet, doch die Verbindungsdaten machen es offenbar möglich, einzelne Seitenaufrufe nachzuvollziehen. Edathy gab an, ihm sei der Laptop am 31. Januar während einer Zugfahrt nach Amsterdam entwendet worden.

Die einige Wochen zuvor aufgerufenen Inhalte sollen sogenannte Vorschaubilder zu Videodateien gewesen sein, auf die ebenfalls zugegriffen worden sei. In einem Spiegel-Interview hatte Edathy Mitte März gesagt, nach seiner Erinnerung sei der gestohlene Laptop der Computer gewesen, von dem aus er die Videos aus Kanada bestellt hatte. Von weiteren Videos oder Bildern war keine Rede.

Aus dem LKA-Bericht geht nun hervor, dass die Ermittler auch bei den Durchsuchungen von Edathys Büros und Privaträumen etwas gefunden haben: eine CD mit 45 angeblich jugendpornografischen Videos sowie Hefte mit angeblich jugendpornografischen Bildern. Jugendpornografie betrifft 14- bis 18 Jährige. Ein eigener Straftatbestand dazu wurde im Jahr 2008 eingeführt. Deshalb ist für die Frage, ob das Material strafrechtlich relevant ist, entscheidend, zu welchem Zeitpunkt Edathy es in seinen Besitz gebracht hat. Die Bilddateien hingegen, auf die von dem Dienst-Laptop zugegriffen wurde, sind zumindest nach Einschätzung des LKA eindeutig kinderpornografisch und damit strafbar. Bereits die gezielte Suche nach Material kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden. Eine wichtige Frage ist nun, ob noch andere Personen Zugang zu Edathys Laptop gehabt haben und ob tatsächlich er selbst die besagten Bilder aufgerufen hat.

Edathy hat bislang bestritten, sich im Besitz kinderpornografischer Schriften zu befinden oder sich diese verschafft zu haben. Er hatte lediglich eingeräumt, die nicht strafbaren Nacktaufnahmen von Minderjährigen aus Kanada bestellt zu haben. Nun muss die zuständige Staatsanwaltschaft Hannover die Ermittlungen bewerten.

Sprecherin Kathrin Söfker erklärte auf Anfrage von NDR und SZ, man habe den LKA-Abschlussbericht zusammen mit den Ermittlungsakten dem Verteidiger Edathys zur Stellungnahme übersandt. Die Staatsanwaltschaft werde sodann das Beweisergebnis prüfen. Weitere Auskünfte seien derzeit nicht möglich.

Edathy reagiert auf Facebook

Eine Einstellung des Verfahrens ist nach derzeitiger Lage noch immer möglich, aber unwahrscheinlicher geworden. Sollte sich die Staatsanwaltschaft der Bewertung des LKA anschließen, würde dies nicht unbedingt bedeuten, dass Edathy sich einem Prozess stellen muss. Es ist auch möglich, dass die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl beantragt. Dann gäbe es keine öffentliche Verhandlung.

Edathy hatte die Ermittlungen als nicht verhältnismäßig bezeichnet. Er sagte im Spiegel, er sei nicht pädophil; in der Kunstgeschichte hätten Aktbilder eine lange Tradition. Auf die neuen Vorwürfe und eine Anfrage von SZ und NDR bei Edathys Anwalt Christian Noll reagierte Edathy am Freitagabend auf Facebook: "Es ist offenkundig, dass kein rechtsstaatliches Verfahren intendiert ist, sondern ausschließlich eine öffentliche Vernichtung meiner Person, einhergehend mit einer beabsichtigten Vor-Verurteilung." Edathy sprach von einer "gezielten Indiskretion der Ermittlungsbehörden". Vom niedersächsischen Justizministerium erwarte er Aufklärung, wie es dazu habe kommen können.

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