Neue Bundesregierung:Die Kanzlerin genießt und schweigt

President Gauck Appoints New German Coalition Government

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mit jeder neuen Regierung noch stärker geworden.

(Foto: Getty Images)

Angela Merkel hat der SPD viel Raum im neuen Kabinett gewährt. Das geht auf Kosten der CDU und noch ein wenig mehr auf Kosten der CSU. Aber das macht ihr nichts aus. Protest ihrer Partei muss sie nicht fürchten, weil sie als Kanzlerpräsidentin gelassen zusehen kann, wie sich ihre potenziellen Nachfolger abmühen und womöglich scheitern.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Triumph ist, wenn man trotzdem schweigt: Angela Merkel hat nichts dagegen, dass Sigmar Gabriel sich als großer Sieger in Szene setzt. Sie gönnt ihm das Oberwasser und der SPD die geschäftige Glückseligkeit. Die Kanzlerin lässt mit keinem Mucks erkennen, dass sie das stört. Sie hat dem Drängen Gabriels nachgegeben und den Sozialdemokraten viel Raum im Kabinett gewährt. Das geht auf Kosten der CDU und noch ein wenig mehr auf Kosten der CSU. Aber das macht Merkel nichts aus, weil es ja nicht auf ihre Kosten geht. Sie wartet, was kommt, wenn es regierungsernst wird - und festigt derweil ihre persönliche Macht; Protest ihrer Partei muss sie nicht fürchten, weil die von Merkels Macht und Herrlichkeit lebt.

Merkel muss auch die SPD und deren Abstimmungs-Besoffenheit nicht fürchten. Sie weiß, dass Räusche nicht lang halten. Und sie weiß: Wenn es gilt, den Mindestlohn in seinen Finessen umzusetzen, ist der Lack der SPD womöglich schnell wieder ab; und mit der Milderung der Exzesse der Agenda 2010 wird die SPD-Ministerin Nahles noch viel Mühe haben, ohne dass ihr Lorbeerkränze gewunden werden.

Merkels Kanzleramt aber steht so stark da, wie vielleicht noch nie ein Kanzleramt in der Bundesrepublik dastand. Das liegt weniger daran, dass das eine oder andere Fachministerium an der Spitze fachlich schwach besetzt worden ist. Gewiss: In so einer Situation kann sich die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin besonders entfalten; dies ändert sich aber auch wieder in dem Maß, in dem der oder die Neue Tritt fassen. Die gewachsene Stärke des Kanzleramts ergibt sich zum Beispiel aus Merkels Coup, dort das Amt eines Geheimdienst-Staatssekretärs zu installieren. Bisher musste sich Merkels Kanzleramtsminister, zuletzt Ronald Pofalla, selbst und quasi nebenbei mit den Geheimdiensten abplagen. Künftig macht das dort ein eigener Staatssekretär, Klaus-Dieter Fritsche, bisher Staatssekretär im Innenministerium.

Die Aufwertung des Kanzleramts-Zugriffs auf die Geheimdienste bedeutet eine Abwertung des Zugriffs der Fachminister auf die Geheimdienste, also des Innenministers (Verfassungsschutz) und des Außenministers (BND). Der neue Kanzleramtsminister - Peter Altmaier ist ohnehin stärker, als sein Vorgänger Pofalla es war - hat, von Geheimdienstaufgaben befreit, mehr Zeit dafür, das zu pflegen, was Merkel sich als ihre Aufgabe zumisst: nicht selbst Linien zu ziehen und dabei zu patzen, sondern sich als Schiedsrichterin und Korrektorin einzuschalten, wenn Minister und Koalitionäre patzen. Sie will Kanzlerpräsidentin sein.

Sie kann gelassen zusehen, wie sich ihre potenziellen Nachfolger abmühen und womöglich scheitern. Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin hat, das ist ihr Vorteil, nicht die genetische Ehrfurcht vor der Generalität, die vielen Männern angeboren ist. Aber sie hat ein Amt, in dem es ein Wunder ist, wenn man stärker herauskommt, als man hineingegangen ist. Merkel dagegen ist bisher immer noch stärker geworden. Eine neue Stärke ist wie ein neues Leben. Merkel liebt das neue Leben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: