Süddeutsche Zeitung

Neue Bundesländer:Debatte um Quote für Ostdeutsche

Lesezeit: 1 min

Der Vorschlag, eine Quote für Ostdeutsche bei der Besetzung von Spitzenämtern einzuführen, stößt auf Kritik.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Der Vorschlag von Linken-Politiker Gregor Gysi, eine Quote für Ostdeutsche bei der Besetzung von Spitzenämtern in Deutschland einzuführen, wird kontrovers diskutiert. Die frühere Grüne und Bürgerrechtlerin Antja Hermenau kritisierte am Montag im Deutschlandradio, dass Westdeutsche noch immer die Verwaltung in den neuen Ländern dominierten. Sie sei zwar gegen eine generelle Quote, die wieder "betreuerisch" wirke. Gleichwohl sei es sinnvoll, überall dort, wo mit öffentlichem Geld Gehälter bezahlt würden, eine Quote einzuführen. Diese könnte im Bund 20 Prozent betragen, in den neuen Ländern allerdings mindestens 55 Prozent. Hermenau forderte "einen goldenen Handschlag", um Verwaltungschefposten, die mit Westdeutschen besetzt seien, für ostdeutsche Nachfolger frei zu machen. Bürger aus den neuen Ländern besetzen nur 1,7 Prozent aller Chefsessel in Deutschland. Sie stellen aber 17 Prozent der Bevölkerung. Seit Langem wird geklagt, dass der Osten keine Stimme habe, wenn Spitzenämter in Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Politik vergeben werden.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), lehnte eine Quote für Ostdeutsche in Spitzenjobs ab. Das könne nicht funktionieren, sagte Hirte am Sonntag im RBB-Inforadio. "Das führt ins Elend." Hirte stammt aus Thüringen. Er sagte, dass er keinen Nachteil darin sehe, aus den neuen Bundesländern zu sein. "Im Gegenteil. Man hat die gleichen Chancen wie alle anderen." Dass trotzdem weniger Ostdeutsche in Führungspositionen seien, habe ganz unterschiedliche Gründe. In der Justiz zum Beispiel habe es nach 1990 in den neuen Bundesländern niemanden gegeben, "der die Laufbahn-Voraussetzungen hatte, um Richter zu werden". In der Politik hätten Ostdeutsche die gleichen Chancen wie andere. Unterschiede gebe es in der Wirtschaft, weil große Unternehmen nicht in den neuen Bundesländern sitzen würden.

Zuvor hatte sich der ehemalige Linken-Chef Gregor Gysi für eine Quote ausgesprochen. Ostdeutsche würden noch immer benachteiligt und deshalb brauche man "eine strukturelle Lösung", sagte Gysi dem RBB. "Wenn es eine Strukturfrage ist, dann muss man eingreifen und über eine Quote Schritt für Schritt für Gleichberechtigung sorgen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4334973
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.02.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.