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Bundeswehr:De Maizière: Starke Marine soll Welthandel schützen

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"Wir müssen uns auf viele denkbare Fälle vorbereiten": Am Vortag hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière angekündigt, dass die Rolle der Bundeswehr über den Hindukusch hinausgehen soll. Auch bei seinem Antrittsbesuch bei der Marine findet er deutliche Worte. Der Bundeswehrverband mahnt eine breite, gesellschaftliche Debatte an.

Antrittsbesuch des Verteidigungsministers bei der Marine: Von der Fregatte Brandenburg aus beobachtet Thomas de Maizière (CDU) eine Reihe von Manövern im Seegebiet vor Warnemünde. Unter anderem führt ihm die Marine den Einsatz von Schiffen, Hubschraubern und Aufklärungsflugzeugen vor.

Erst am Vortag hatte der Minister die Schrumpfpläne für die Truppe vorgestellt; auch die Marine wird davon betroffen sein. Bei seinem Besuch an diesem Donnerstag aber erwähnt de Maizière keine konkreten Zahlen. Vielmehr stellt er die Bedeutung der Marine heraus: Diese werde eher zu- als abnehmen, versichert der Minister. "Der Welthandel findet auf den Meeren statt, und diese sind in einer Weise gefährdet, wie wir uns dies vor 50 oder 60 Jahren noch nicht vorstellen konnten." Daher sei die Marine zur Sicherung der Meere unverzichtbar, erklärt de Maizière.

Diese Intonierung passt zu den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien, die der Verteidigungsminister am Vortag zusammen mit den Reformplänen für die Bundeswehr vorgestellt hat. Die Bundeswehr müsste künftig auch zusätzliche internationale Aufgaben wahrnehmen können, sagte der Minister bei der Präsentation seiner Pläne in Berlin - unabhängig von unmittelbaren Interessen Deutschlands. Künftig sollen dauerhaft 10.000 Soldatinnen und Soldaten für Einsätze zur Verfügung stehen, 3000 mehr als bisher.

Im ZDF hat de Maizière diese Haltung bekräftigt und erklärt, dass er von weiteren Auslandseinsätzen der Bundeswehr ausgeht: "Wir müssen uns auf viele denkbare Fälle vorbereiten", sagte er. Das Spektrum der Einsätze reiche "von Wahlbeobachtung bis hin zu einer Intervention, wie wir es im Balkan erlebt haben".

Die Ankündigung ist politisch brisant, galt doch in den vergangenen Jahren als Leitlinie, dass Deutschland die historisch begründete militärische Zurückhaltung nur dann aufgeben dürfe, wenn handfeste nationale Interessen dies erforderten. Bislang aber fallen die Reaktionen auf de Maizières Pläne zurückhaltend aus. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erklärte in der Frankfurter Rundschau lediglich, es dürfe nicht um die militärische Absicherung wirtschaftlicher Interessen gehen, sondern darum, globale Sicherheitsinteressen im Auftrag der UN einzudämmen. Grundsätzlich aber äußerte sich Trittin lobend zu den Umbaupläne de Maizières. Sie seien eine "Ohrfeige für seinen Vorgänger zu Guttenberg, denn wir müssen jetzt zur Kenntnis nehmen, dass der zwar vollmundig geredet hat, aber sein Haus nicht gut bestellt hinterließ."

Mit Skepsis reagierte der Bundeswehrverband auf de Maizières Ankündigung, dass es künftig auch Militäreinsätze der Bundeswehr geben könnte, wenn kein unmittelbares nationales Interesse bestehe: "Ich kann den Deutschen Bundestag nur auffordern, nicht wieder eine Gelegenheit zu verpassen, darüber breit zu debattieren", sagte Verbandschef Oberst Ulrich Kirsch der Rheinischen Post. Nötig sei auch eine gesellschaftliche Debatte über die Frage, ob solche Einsätze durch die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen gedeckt seien.

Kernpunkt von de Maizières Reform ist eine deutliche Verkleinerung der Bundeswehr. So soll die Zahl der Soldaten von 220.000 auf höchstens 185.000 sinken. Zu 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten sollen künftig 5000 bis 15.000 freiwillig Wehrdienstleistende kommen. Die Zahl der Stellen für zivile Mitarbeiter soll von 76.000 auf 55.000 sinken. Einen Überblick über die Reformpläne finden Sie hier.

Die Kosten für die Reform muss das Verteidigungsministerium nicht alleine stemmen. Im ZDF konkretisierte de Maizière die Sparvorgaben seines Ressorts. Zwar habe er mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vereinbart, dass der vorgesehene Sparbeitrag von 8,3 Milliarden Euro bis 2015 grundsätzlich erbracht werden solle. Das Verteidigungsministerium solle aber an anderer Stelle entlastet werden.

Debatte über zwei Standorte

So sollten Kosten vermieden werden, die durch die Reform der Streitkräfte auf die Bundeswehr zukommen, insbesondere durch den Personalabbau. "Die Einzelheiten dazu, einschließlich der Zahlen, teilen wir dann als Ergebnis der Haushaltsberatungen mit", sagte de Maizière.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ernst-Reinhard Beck, hat im Zusammenhang mit den Reformplänen einen kompletten Umzug des Ministeriums nach Berlin gefordert. "Die Reform muss Anlass sein, die Standortfrage neu zu diskutieren und über einen kompletten Ministeriumsumzug von Bonn nach Berlin nachzudenken", sagte Beck der Bild-Zeitung. "Zwei Standorte kosten nur viel Zeit und viel Geld." Das Verteidigungsministerium besitzt neben dem Hauptdienstsitz auf der Hardthöhe in Bonn einen zweiten Dienstsitz im Bendlerblock in Berlin.

Im Zuge des Umbaus der Streitkräfte will de Maizière auch 1500 Stellen im eigenen Haus streichen. Auch die Führungsstruktur des Ministeriums soll gestrafft werden. Bild zufolge gebe es im Ministerium Überlegungen, noch größere Teile als bisher auf Berlin als Standort zu konzentrieren.

Auch der Bund der Steuerzahler forderte eine vollständige Abkehr vom Standort Bonn. "Die Bundesregierung sollte jetzt den Mut zum großen Wurf aufbringen", sagte Steuerzahler-Präsident Karl Heinz Däke der Neuen Osnabrücker Zeitung. Es gelte, im Zuge der Bundeswehrreform den Bonner Dienstsitz aufzugeben. "Es wäre den Bürgern nicht zu vermitteln, wenn an schwerfälligen Entscheidungswegen und teuren Doppelstrukturen festgehalten würde", sagte Däke.

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