Trotz landesweiter Proteste und eines Vetos des Obersten Gerichtes gegen die Entlassung des Inlandsgeheimdienstchefs Ronen Bar hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nun einen Nachfolger bestimmt. Am frühen Montagmorgen teilte sein Büro mit, dass künftig ein ehemaliger Kommandant der Marine, Eli Scharvit, den Geheimdienst leiten soll. Das Gericht hatte Netanjahu erlaubt, Bewerbungsgespräche mit potenziellen Nachfolgern zu führen. Ob er Ronen Bar tatsächlich feuern darf, wird es aber frühestens in der kommenden Woche entscheiden. Am 8. April beginnt die Verhandlung darüber, ob die Entlassung rechtmäßig ist. Netanjahu hat bereits angekündigt, dass Bar gehen soll, egal, was die Justiz dazu sagt.
Wenige Stunden nach Netanjahus Ankündigung am Montag nahm die Polizei zwei von Netanjahus Beratern fest. Israelische Medien berichten, dass auch der Ministerpräsident selbst vorgeladen worden sei, um zu möglichen Verstrickungen der Berater mit dem Staat Katar auszusagen. Diese Ermittlungen werden in Israel ausgerechnet vom Inlandsgeheimdienst geführt.
Sie hätten Bargeld gebracht, in Koffern
Dessen abberufener Chef, Ronen Bar, hatte bereits im Zuge seiner Entlassung erklärt, dass „in diesen Tagen bedeutende Ermittlungsschritte unternommen“ würden und dass der „übereilte und plötzliche Entlassungsversuch“ seiner Person darauf angelegt sei, eben diese zu untergraben. Dabei spielten „persönliche und institutionelle Interessenkonflikte höchsten Ranges“ eine Rolle. Netanjahu hatte dagegen behauptet, dass nicht die laufenden Ermittlungen gegen sein Umfeld, sondern vielmehr ein Vertrauensverlust Grund für Bars Entlassung gewesen sei.
Mit diesen Entwicklungen spitzt sich in Israel ein Machtkampf zwischen Strafverfolgung und Netanjahus Regierung zu, der das Potenzial hat, eine Verfassungskrise auszulösen. Worum geht es also bei den Ermittlungen?
Die möglichen Interessenkonflikte Netanjahus, die Bar anprangerte, stehen in Verbindung mit dem Angriff der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem mehr als 1200 Menschen getötet wurden und 251 entführt. Nach dem Massaker rückte bald Netanjahus Politik gegenüber der Hamas in den Fokus. Berichten zufolge hatte Katar über Jahre viele Millionen Dollar in den Gazastreifen geschickt – und Netanjahu habe diese Zahlungen befürwortet. Jahrelang, so berichtete etwa die New York Times, hätten sogar israelische Geheimdienstmitarbeiter katarische Beamte nach Gaza begleitet. Die hätten Bargeld gebracht, in Koffern. Das Geld sei für humanitäre Zwecke bestimmt gewesen, etwa für Gehälter oder Treibstoff. Doch mittlerweile gehe der Geheimdienst davon aus, das mit jenem Geld auch die Anschläge am 7. Oktober mitfinanziert wurden.
Netanjahu musste zu einer polizeilichen Anhörung
Selbst wenn das Geld nur unabsichtlich an die Hamas geflossen wäre, müsste der Vorgang im Lichte des Angriffs untersucht werden. Es steht aber sogar der Vorwurf im Raum, dass die Stärkung der Hamas Netanjahus politisches Kalkül gewesen sein könnte – mit dem Ziel, die beiden Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah zu spalten und damit einen souveränen Palästinenserstaat zu sabotieren. Netanjahu bestreitet das. Er lehnte bislang aber auch eine Untersuchung der politischen Verantwortung für den 7. Oktober ab.
Die beiden Berater Netanjahus, die nun inhaftiert sind, heißen Yonathan Ulrich und Eli Feldstein. Beiden werden Berichten zufolge illegale Verbindungen zu Katar vorgeworfen. Vor einigen Wochen hatten israelische Journalisten enthüllt, dass Feldstein und Ulrich mit ihrer PR-Firma für Katar Medienarbeit übernommen hätten, etwa, um das Image des Staates vor der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2022 aufzubessern. Feldstein habe auch im Zusammenhang mit den Waffenruhe-Verhandlungen versucht, ein positives Bild von Katar als Vermittler zu verbreiten. Dies allein wäre aber noch nicht illegal. Zu den Vorwürfen, um die es nun in den Ermittlungen geht, wurde in Israel eine offizielle Nachrichtensperre verhängt.
Der 32-jährige Eli Feldstein hatte bereits vor einigen Monaten in Untersuchungshaft gesessen. Damals ging es um den Vorwurf, dass er geheime Informationen aus dem Militär an die deutsche Bild-Zeitung durchgestochen habe. Dort war im September ein Artikel erschienen, der ein Dokument enthüllte, in dem es um die Verhandlungsstrategie der Hamas gehen soll. Es sei auf einem Computer gefunden worden, der dem früheren Hamas-Führer Jahia Sinwar gehört habe, hieß es darin.
Während Feldstein nun auch in den Katar-Ermittlungen als Beschuldigter gilt, ist Netanjahu dies nicht – jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Für die polizeiliche Anhörung am Montag, so berichtet es die Times of Israel, musste der Ministerpräsident einen anderen Termin unterbrechen: den noch laufenden Korruptionsprozess gegen ihn.