Israels Premier Netanjahu:So verprellt man die besten Freunde

Benjamin Netanjahu

Das Vertrauen schwindet, Benjamin Netanjahu ist dafür verantwortlich.

(Foto: dpa)

Das Vertrauen in die Politik des israelischen Premiers Netanjahu ist bei westlichen Partnern dahin. Was Deutschland jetzt tun sollte.

Kommentar von Peter Münch, Tel Aviv

Eigentlich hat ein israelischer Regierungsvertreter nur das Selbstverständlichste klargestellt: Die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland", so heißt es aus Jerusalem, "sind eng und gut, und sie werden es weiterhin sein".

Doch wenn eine solche Erklärung als postwendendes Dementi auf einen Bericht im Spiegel über die Entfremdung unter Freunden erfolgt, dann scheint es doch um mehr zu gehen als um den diplomatischen Standard. Im Klartext: Die Beziehungen waren schon einmal enger und besser.

Das Problem liegt allerdings und zum Glück nicht in der Beziehung zwischen den beiden Ländern. Das besondere Verhältnis und die Verantwortung Deutschlands für den jüdischen Staat wird kein ernst zu nehmender Mensch in Frage stellen. Das Problem ist die Beziehung zu dieser israelischen Regierung - und damit ist Deutschland bei Weitem nicht allein.

Das Vertrauen ist dahin

Premierminister Netanjahu und seine rechten Kombattanten haben mit ihrer völkerrechtswidrigen und friedensfeindlichen Siedlungspolitik einiges getan, um selbst die besten Freunde zu verprellen: von US-Präsident Barack Obama bis zu Kanzlerin Angela Merkel und darüber hinaus. Als Alternative zur diplomatischen Auseinandersetzung werden in Jerusalem mit Vorliebe Feindbilder geschürt. Immer wieder geht es gegen die Vereinten Nationen und neuerdings auch gern gegen die EU. Deutschland kann dabei auf Dauer nicht indifferent bleiben.

Der Berliner Ärger über Netanjahu ist indes nichts Neues. Auseinandersetzungen hinter den Kulissen bis hin zu lautstarken Telefonaten hoher Amtsträger sind seit Längerem bekannt. Merkel selbst scheint Besuche in Israel mittlerweile zu meiden. Nicht einmal im 50. Jubiläumsjahr der deutsch-israelischen Beziehungen 2015 ward sie in Jerusalem gesehen.

Netanjahus Aufwartungen in Berlin lässt sie mit gefestigtem Gemüt an sich abperlen. Aber das Vertrauen in die Politik dieses Premiers ist dahin, und das Vertrauen in seine Aufrichtigkeit wird stets auf neue Proben gestellt.

Jüngstes Beispiel ist eine vom Spiegel zitierte Überschrift in der Netanjahu-nahen Tageszeitung Israel Hajom, in der gewiss nicht aus Versehen ein Zitat der Kanzlerin so verdreht wurde, dass sich Netanjahu bestätigt fühlen durfte.

Was aus Merkels resignativer Äußerung wurde

Aus Merkels resignativer Bemerkung, dass im aufgewühlten Nahen Osten gerade "nicht der Zeitpunkt für ganz umfassende Fortschritte" sei, machte das auflagenstarke Gratisblatt die Schlagzeile: "Merkel: Dies ist nicht die Zeit für zwei Staaten". Das Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung allerdings bildet den Kern deutscher und westlicher Nahostpolitik.

In Jerusalem dagegen ist dieser alte Ansatz längst in den Hintergrund getreten. In der Regierung sitzen allzu viele Vertreter, die von einem Palästinenserstaat nichts wissen wollen, in der praktischen Politik wird alles getan, um ihn (ohne tragfähige oder erträgliche Alternative) zu verhindern.

Nach fast fünf Jahrzehnten der Besatzung ist die Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung die Ein-Staaten-Lösung; die stellt nicht nur alle internationalen Friedensbemühungen auf den Kopf, sondern auch Israels Selbstverständnis. Denn der gemeinsame Staat mit den Palästinensern wäre entweder kein jüdischer Staat mehr oder kein demokratischer, falls den Palästinensern gleiche Rechte verweigert würden.

Für Deutschland ist es an der Zeit, die beiden Grundpfeiler seiner Nahostpolitik - das Bekenntnis zu Israels Sicherheit und das Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung - auch öffentlich in Einklang zu bringen. Dabei kann die Bundesregierung die besonderen Beziehungen zu Israel nutzen, ohne sich von der israelischen Regierung ausnutzen zu lassen als Bollwerk gegen UN- oder EU-Initiativen. Ein klarer und ehrlicher deutscher Standpunkt sollte den gerade erst in Jerusalem attestierten "engen und guten Beziehungen" nicht schaden.

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