Israel:Netanjahus letzte Schlacht

Israel: Bestechlichkeit, Betrug und Untreue - so lautet die Anklage: Benjamin Netanjahu.

Bestechlichkeit, Betrug und Untreue - so lautet die Anklage: Benjamin Netanjahu.

(Foto: Emil Salman/dpa)

Israels Ex-Premier soll im Geheimen mit der Justiz über einen Deal verhandeln, der ihm eine Haftstrafe wegen Korruption erspart. Der Preis für ihn wäre allerdings auch hoch.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Der Staat Israel gegen Benjamin Netanjahu: Dreimal pro Woche kommt dieses reale Stück über Macht und Missbrauch zur Aufführung in einem Jerusalemer Gerichtsaal. Der frühere israelische Premier und heutige Oppositionsführer muss sich dort wegen Korruption verantworten, es droht ihm eine langjährige Haftstrafe. Ein Urteil allerdings ist nicht in Sicht, der Prozess könnte sich über Jahre hinziehen.

Doch nun ist plötzlich Bewegung in den Fall gekommen. Israels Medien überschlagen sich mit Berichten über einen möglichen Deal zwischen Netanjahu und der Justiz. Er könnte so der Haft entgehen - müsste aber dafür einen hohen Preis bezahlen.

Angeklagt ist Netanjahu seit 2019 in drei Fällen wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue. Nach mehreren geheimen Verhandlungsrunden zwischen seinen Anwälten und Vertretern der Justiz um Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit soll es Einigkeit darüber geben, dass der schwerwiegendste Vorwurf der Bestechlichkeit fallengelassen werden könnte. Im Gegenzug müsste sich Netanjahu des Betrugs und der Untreue schuldig bekennen. Er käme wohl mit einer geringen Gefängnisstrafe davon, die in gemeinnützige Arbeit umgewandelt werden könnte.

Der offenbar noch umstrittene Knackpunkt aber ist, ob ihm im Urteil "moralische Verfehlungen" vorgeworfen werden. In diesem Fall dürfte er sieben Jahre lang keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden.

Ein Schuldeingeständnis könnte seine Anhänger schwer enttäuschen

Mandelblit soll den Berichten zufolge darauf bestehen, dass Netanjahus Politik-Sperre Teil des Deals ist. Alles andere wäre wohl auch innerhalb der Justiz kaum vermittelbar angesichts der Schwere der Vorwürfe - und auch angesichts der Attacken, die Netanjahu gegen die Ermittler und Staatsanwälte geritten hatte. Nicht nur eine "Hexenjagd", sondern auch den "Versuch eines Staatsstreichs" hatte er ihnen vorgeworfen.

Der staatliche Rundfunk berichtet nun, Netanjahus Anwälte würden ihm zur Absprache mit der Justiz raten, seine Familie sei jedoch eisenhart dagegen. Tatsächlich würde ein solcher Deal wohl das abrupte Ende seiner politischer Karriere markieren. Netanjahu ist 72 Jahre alt und könnte sich höchstens noch einreden, dass auch sein großes Vorbild Winston Churchill mit Anfang siebzig mal eine Pause gemacht hatte vom Premiersamt, um dann nach sechs Jahren als Retter zurückzukehren. In seinem Fall ist es jedoch wahrscheinlicher, dass er fortan viel Zeit mit Ehefrau Sara verbringen und sich um Mehrung des Vermögens bemühen müsste.

Netanjahu selbst hatte einen Handel mit der Staatsanwaltschaft früher stets ausgeschlossen. Sein Mantra lautete: "So etwas wird es nicht geben, weil da nichts war." Der immer noch großen Anhängerschaft versprach er, im Prozess seine Unschuld zu beweisen. Ein Eingeständnis, sich des Betrugs und der Untreue schuldig gemacht zu haben, könnte da für viel Enttäuschung sorgen.

Möglich ist es also, dass die Verhandlungen, die auf Initiative von Netanjahus Anwälten zustande gekommen sein sollen, nur ein großer Bluff sind. Ein Versuch, die Staatsanwälte vorzuführen nach der Logik: Wenn sie mit dem Angeklagten verhandeln, scheinen sie sich ihrer Sache nicht sicher zu sein. Andererseits gibt es aber auch einige Entwicklungen, die Netanjahu zur Erkenntnis gebracht haben können, besser jetzt zu retten, was noch zu retten ist. Der Prozess nämlich läuft nicht gut für den Angeklagten. Neulich rückte ihn sein früherer Vertrauter Nir Hefetz mit seinen Aussagen arg ins Zwielicht. In Kürze sollen noch weitere Kronzeugen der Justiz auftreten.

Netanjahu führt die Opposition - aber hat er noch Chancen, wieder an die Macht zu kommen?

In zwei Wochen geht zudem die Amtszeit von Generalstaatsanwalt Mandelblit zu Ende. Netanjahu könnte darauf spekulieren, dass er diesen Fall noch zu einem Abschluss bringen will. Besseres dürfte aus seiner Sicht ohnehin nicht nachkommen. Der Nachfolger wird von Justizminister Gideon Saar ausgewählt, der aus Protest gegen Netanjahu die Likud-Partei verlassen hatte und noch einige Rechnungen mit ihm offen hat.

Zu guter Letzt: Allzu rosig sind Benjamin Netanjahus politische Zukunftsaussichten auch nicht mehr. Seine Hoffnung, die im Juni neu gebildete Regierung schnell wieder abzulösen, hat sich nicht erfüllt. Das bunte Acht-Parteien-Bündnis seiner Gegner erweist sich bislang als relativ stabil.

Einen Hebel allerdings hätte Netanjahu doch noch, um diese Regierung zu Fall zu bringen. Sollte er sich aus der Politik zurückziehen, hätten die rechten Koalitionsparteien kaum noch einen Grund, sich zum Regieren mit linken und arabischen Partnern herumzuschlagen. Der Vorteil: Seine Likud-Partei könnte an die Macht zurückkehren. Der Nachteil: Benjamin Netanjahu hätte nichts mehr davon.

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