Süddeutsche Zeitung

Netanjahu nach Angriff auf Hilfskonvoi:"Es war eine Flotte des Hasses"

Israels Ministerpräsident Netanjahu verteidigt die gewaltsame Erstürmung des Hilfskonvois und will an der Blockade des Gazastreifens festhalten. In der Knesset kommt es zu Tumulten.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will trotz aller internationaler Kritik an der Blockade des Gazastreifens festhalten. Das machte der Regierungschef am Mittwoch während seiner ersten Rede an die Nation seit der gewaltsamen Erstürmung eines Schiffes der Gaza-"Solidaritätsflotte" deutlich.

Netanjahu verteidigte den Einsatz der Armee, bei dem am Montagmorgen mindestens neun internationale Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt worden waren. Netanjahu wies alle Kritik aus dem Ausland zurück und nannte diese "scheinheilig".

Sorge um Israels Sicherheit

Netanjahu warf den Organisatoren der Solidaritätsflotte vor, ihnen sei es in erster Linie darum gegangen, die Seeblockade vor dem Gazastreifen zu brechen, und nicht Hilfsgüter zu liefern. "Wäre die Blockade gebrochen worden, wäre Dutzende oder Hunderte weitere Schiffe gekommen und hätten Waffen gebracht", sagte er in der Fernsehansprache.

Netanjahu bezichtigte die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas, sich mit Raketen aus Iran bewaffnen zu wollen. "Deshalb ist es unser Recht und unsere Pflicht gemäß dem gesunden Menschenverstand und internationalem Recht, solche Waffenlieferung nach Gaza zu verhindern; sei es zu See, zu Land oder aus der Luft."

Die Aufrechterhaltung der Seeblockade sei zur Selbstverteidigung Israels notwendig, betonte Netanjahu. "Unsere Sicherheit geht über alles."

Zu dem gestürmten Schiffskonvoi sagte er: "Das war keine Flotte der Liebe, das war eine Flotte des Hasses. Das war keine friedliche Aktion, das war eine terroristische Aktion."

Indes erreichte der Streit über den gewaltsam gestürmten Hilfskonvoi auch das israelische Parlament. Während der Rede der arabischstämmigen Abgeordneten Hanin Soabi, die an Bord eines Schiffs war, spielten sich in der Knesset in Jerusalem tumultartige Szenen ab. Die Abgeordnete Anastasia Michaeli von der ultra-rechten Partei Israelis Beitenu (Unser Haus Israel) unterbrach Soabi mit den Worten, Israel sei ein demokratischer Staat und könne niemanden in der Knesset reden lassen, der Positionen von Terrororganisationen vertrete. "Ihr Platz ist nicht in der Knesset, sondern im Gefängnis", wurde die arabische Israelin beschimpft.

Soabi war an Bord eines Schiffes der Gaza-Solidaritätsflotte. Sie hatte im Parlament der Regierung vorgeworfen, mit der Erstürmung einen Akt der Piraterie begangen zu haben.

"Geh nach Gaza, du Verräterin", rief eine Abgeordnete. "Wir brauchen kein trojanisches Pferd in der Knesset."

Andere arabische Abgeordnete beschimpften die Regierung daraufhin als "Bande von Piraten". Sicherheitskräfte hatten Soabi bereits ins Parlament begleitet, weil sie Übergriffe von Politikern fürchteten.

UN will gegen Israel ermitteln

Auch der schwedische Krimi-Autor Henning Mankell kritisierte den blutigen Einsatz gegen die Hilfsflotte. Er bezeichnete den Militäreinsatz als "Seeräuberei und Kidnapping". Der Zeitung Expressen sagte Mankell: "Die israelischen Soldaten gingen fernab der eigenen Gewässer zum bewaffneten Angriff. Das war in internationalen Gewässern. Also handelt es sich um Seeräuberei und Kidnapping."

Der UN-Menschenrechtsrat kündigte am Mittwoch Ermittlungen gegen Israel an. Die Erstürmung der Hilfsflotte sei ein "abscheulicher Angriff". Ermittlungen sollten klären, ob Israel bei dem tödlichen Militäreinsatz gegen internationales Recht verstoßen habe, heißt es in einer in Genf verabschiedeten Resolution.

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