Nepalesische Gurkhas:Aufstand der Ergebenen

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Um die Gurkhas ranken sich viele Legenden. Sie kämpfen seit 200 Jahren für Großbritannien. Nun verklagen sie den Staat.

Wolfgang Koydl

Man sieht es den beiden alten Männern in ihren Rollstühlen vor dem Londoner Obersten Gerichtshof nicht an. Aber Tulbahadur Pun und Lachiman Gurung gehörten einem britischen Regiment an, bei dessen bloßer Namensnennung dem Feind das Blut in den Adern gefror. Seit 200 Jahren kämpfen die nepalesischen Gurkhas für Großbritannien. Sie sind berühmt für ihren Mut, aber auch für ihre Unbarmherzigkeit.

Die ehemailgen nepalesischen Gurkha-Kämpfer Tulbahadur Pun (l.) und Lachiman Gurung (r.) fühlen sich betrogen. (Foto: Foto: AFP)

Schauspielerin hilft Söldnern

Ihren jüngsten Kampf führen sie allerdings im Gerichtssaal. Ihr Gegner ist das Land, dem sie dienten. Stellvertretend für 1500 Männer klagen fünf ehemalige Soldaten auf das Recht, sich nach dem Ausscheiden aus dem Dienst im Vereinigten Königreich niederzulassen, anstatt - oft gegen ihren Willen - in ihre nepalesische Heimat zurückgeschickt zu werden.

Ihre prominenteste Fürsprecherin ist die Schauspielerin Joanna Lumley, die mit der Fernsehserie "Mit Schirm, Charme und Melone" bekannt wurde. Lumleys Vater kommandierte als britischer Major Gurkhas in Britisch-Indien. Er wäre "überwältigt vor Zorn und Scham", erklärte sie, wenn er sähe, wie die Gurkhas behandelt würden.

Das Problem besteht darin, dass das britische Gurkha-Regiment bis 1997 in Hongkong stationiert war. Nach der Rückgabe der Kronkolonie an China wurde es in einen Stützpunkt in der englischen Grafschaft Kent verlegt. Das Innenministerium in London argumentiert nun, dass die Gurkhas in Hongkong keine hinreichend engen Bande zu Großbritannien entwickeln konnten, um sich ein Niederlassungsrecht zu erwerben. Gurkhas, die nach 1997 pensioniert wurden, können hingegen im Vereinigten Königreich bleiben.

Die Gurkhas und ihr Anwalt Edward Fitzgerald halten dies für hanebüchen. "Ihr langer, hingebungsvoller Dienst verbindet sie untrennbar mit den Menschen in diesem Land", erklärte Fitzgerald. "Was zählt, ist die Tatsache, dass sie gedient haben, nicht wo sie gedient haben."

Viele Legenden ranken sich um die Gurkha-Regimente, die seit der Annexion Nepals durch die britische Ostindien-Kompanie 1815 angeworben wurden. Die Angehörigen einer alten Kriegerkaste hatten den britischen Kolonialherren im Kampf Respekt abgerungen. Seitdem fochten sie für die Krone: im Krimkrieg gegen Russland 1856, beim Indischen Aufstand von 1857, in beiden Weltkriegen, auf den Falkland-Inseln und nun in Afghanistan und im Irak.

Die Gurkhas sind und waren vor allem im Nahkampf gefürchtet, wenn sie den traditionellen Kukri, einen knapp 40 Zentimeter langen Krummdolch, einsetzen. Der Überlieferung nach muss der Kukri "Blut kosten", wenn er aus der Scheide gezogen wurde. Findet er keinen Feind, muss der Gurkha sich selbst verletzen.

"Lieber tot als feige"

"Besser sterben, als ein Feigling zu sein" lautet das Motto der Gurkhas, und überdurchschnittlich viele dieser Kämpfer wurden mit dem Victoria Cross, Britanniens höchster Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Mindestens ebenso geschätzt waren sie freilich auch für ihren bedingungslosen Gehorsam.

Ein Zug von Gurkha-Schützen richtete eines der blutigsten Verbrechen in der britischen Kolonialgeschichte an. Beim Massaker von Amritsar 1919 schossen sie in eine Menge unbewaffneter Männer, Frauen und Kinder. Mindestens tausend Menschen wurden nach indischen Angaben getötet, mehr als 2000 verletzt.

Egal, wie das Verfahren in London ausgehen wird, die Tage des Gurkha-Regimentes scheinen ohnehin gezählt zu sein. Die seit kurzem in Nepal regierenden Kommunisten haben angekündigt, dass die Anwerbung von "Söldnern" verboten werden soll.

© SZ vom 18.09.2008/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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