Neonazivereinigung "Sturm 34":Die Polizei schaute zu

Gegen Mitglieder des gewaltbereiten "Sturm 34" sollen heute die Urteile gesprochen werden. Brisant ist, was nicht in dem Prozess verhandelt wurde.

Berit Uhlmann

Der Sturm tobte kurz, aber äußerst brutal. Nur 13 Monate nach Gründung der Neonazi-Kameradschaft Sturm 34 im sächsischen Mittweida verbot das Dresdner Innenministerium Mitte 2007 die Organisation. Doch die Zeit reichte für die Skinheads, Angst und Schrecken in der Region um Chemnitz zu verbreiten.

Neonazivereinigung "Sturm 34": Er gilt als Kopf der Vereinigung Sturm 34:  Tom W. - hier auf der Anklagebank zu sehen.

Er gilt als Kopf der Vereinigung Sturm 34: Tom W. - hier auf der Anklagebank zu sehen.

(Foto: Foto: ddp)

Etwa 50 Mitglieder und doppelt so viele Sympathisanten gehörten zu der Kameradschaft. Auffallend ist, dass ihre Mitglieder und Mitläufer aus allen sozialen Schichten stammten und mindestens 53 von ihnen Frauen waren. Den Namen liehen die Neonazis von einer während der NS-Zeit in der Region stationierten SA-Brigade. Ihr Ziel war eine "national befreite Zone", ihr Mittel Gewalt.

Die Bande überfiel Dönerbuden, dunkelhäutige Passanten, Punker auf einem Volksfest, das Büro der örtlichen Linkspartei oder was immer sie gerade störte. So wie im Mai 2006, zwei Monate nach der Gründung der Vereinigung.

Damals tauchten rund 15 ihrer Mitglieder in schwarzer Montur und mit teilweise rasierten Schädeln an einer Tankstelle im Erzgebirgsort Stollberg auf und schlugen ohne erkennbaren Anlass auf einige junge Männer ein. Einen am Boden liegenden Mann hätten sie wiederholt getreten - "Er war wie einen Fußball für die", sagte eine Zeugin später. Sie trat in dem Prozess gegen fünf führende Mitglieder auf, in dem am Mittwoch die Urteile erwartet werden.

Fünf Männer im Alter von 20 bis 40 Jahren sind angeklagt - wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und einer Reihe Gewaltdelikten. Doch brisanter ist noch, worum es in dem Prozess nicht geht.

Die Gruppierung soll in ihrer aktiven Zeit in enger Verbindung zur NPD gestanden haben. Die taz berichtete im April dieses Jahres, der NPD-Kreisvorsitzende von Mittweida, Harald N., habe Kontakte zum Kopf von Sturm 34, Tom W., unterhalten. Mehr noch, er soll die Skinheads regelmäßig als Wachschutz für Veranstaltungen eingesetzt und sie dabei regelrecht zu Straftaten angestiftet haben.

Die Zeitung beruft sich auf Protokolle der Telefonüberwachung. Auf denen soll zu hören sein, wie der NPD-Kreisvorsitzende bei Tom W. Wachschutz für ein Neonazi-Konzert ordert. Für den Fall, dass dort Linke auftauchen, sollte Sturm 34 denen "richtig vor die Glocke krachen". Die Linke-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz nannte Sturm 34 den "bewaffneten Arm der NPD".

Brisant ist auch der Hintergrund eines der Angeklagten: Der 40-Jährige Matthias R. war Mitglied bei Sturm 34, arbeitete aber als Spitzel für die Staatsschutzabteilung der Polizeidirektion Chemnitz. Unklar ist, ob er auch dem Verfassungsschutz Informationen geliefert hat. Nicht bekannt ist ebenfalls, seit wann er der nur kurz existierenden Vereinigung angehörte. Schon ist ein Verdacht aufgekommen: Ist die Neonazi-Truppe etwa unter Aufsicht des Chemnitzer Staatsschutzes gegründet worden?

Und: Ist dem Informanten eine mildere Strafe versprochen wurden? Richter Martin Schulze-Griebler jedenfalls kündigte an: "Wir werden uns alle Mühe geben aufzuklären. Ohne Rücksicht auf irgendwelche Befindlichkeiten bei anderen Behörden."

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