Neonazis im Internet:Rechtsextreme Online-Offensive

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Angebote von Neo-Nazis nehmen im Internet rasant zu, 7000 Auftritte hat die Organisation "Jugendschutz.net" 2012 gezählt. Inzwischen setzen die Rechten vor allem auf Facebook, Youtube und Twitter, um ihre Propaganda zu verbreiten. Die Dienste löschen extreme Inhalte zwar immer wieder. Es fehlt dort allerdings an Eigeninitiative.

Die wachsende Bedeutung des Internets hat sich auch den Rechtsextremen in Deutschland nicht verschlossen - schon seit einigen Jahren wachsen ihre Bemühungen, über verschiedene Online-Plattformen ihre Propaganda zu verbreiten.

In der jüngsten Zeit hätten ihre Aktivitäten allerdings besonders stark zugenommen, warnt die Organisation Jugendschutz.net in ihrem Bericht " Rechtsextremismus online 2012". Demnach ist die Zahl rechtsextremer Angebote im weltweiten Netz auf 7000 angestiegen - das sind im Vergleich zum Vorjahr 50 Prozent mehr.

Dabei geht es immer weniger um statische Websites rechter Organisationen oder einzelner Neonazis. Nur ein Viertel der als rechtsextrem eingestuften Angebote fand sich noch auf klassischen Internetseiten. Im Vergleich zu 2011 sei die Zahl von rund 1700 auf 1500 zurückgegangen. Einzige Ausnahme: islamfeindliche Websites. Hier verzeichnete jugendschutz.net einen Anstieg von 25 auf 40 Seiten im deutschsprachigen Netz.

Viel stärker setzen die Neonazis aber inzwischen auf die sozialen Netzwerke, sagte der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, bei der Vorstellung des Berichts in Berlin, der von seiner Behörde finanziert wird. So fanden 5500 der Auftritte im Social Web statt. 2011 seien es noch 3700 gewesen.

Auch der Kurzmitteilungsdienst Twitter spiele für Neonazis eine immer wichtigere Rolle bei der Mobilisierung von Anhängern und der Verbreitung ihrer Informationen. 196 rechtsextreme Twitter-Accounts dokumentierte jugendschutz.net im vergangenen Jahr. Im Jahr zuvor seien es noch 141 gewesen.

"Facebook und YouTube spielen für die Ansprache von Jugendlichen die wichtigste Rolle", erläuterte Extremismus-Experte Stefan Glaser. Besonders gefährlich sei die Strategie der Rechten, ihre Gesinnung nicht gleich zu zeigen. Rechtsextreme, so der Leiter des Extremismusbereichs von jugendschutz.net, träten nicht mit plumper Propaganda in Erscheinung. Vielmehr präsentierten sich moderne Neonazis als "Menschenfreunde, die sich kümmern und der jungen Generation modische Styles, Action und Events bieten".

"Man gibt den Kümmerer"

Selbst die Hochwasser-Katastrophe hätten Rechtsextreme für sich zu nutzen versucht, etwa durch Spendensammlungen. "Man mischt sich unters Volk, gibt den Kümmerer", sagte Glaser. Zuweilen gäben sie sogar vor, sich gegen Neonazis zu stellen oder übernähmen das Zeichen der Anti-Nazi-Initiative "Gesicht zeigen".

Insbesondere mit US-Diensten wie Facebook oder Youtube gebe es aber eine gute Zusammenarbeit, so dass die meisten Hassinhalte gelöscht werden könnten, sagte Glaser. So erging es etwa kürzlich der Facebook-Seite der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN).

Deswegen wichen Rechtsextreme nun aber häufig auf andere Seiten aus, wie auf das russische Facebook-Pendant "vk.com". Auch dieser Anbieter habe jedoch rechtsextreme Inhalte gelöscht, nachdem die Bundeszentrale ihn darauf aufmerksam gemacht habe.

Krüger forderte mehr Engagement gegen rechtsextreme Propaganda im Internet. "Wir brauchen Betreiber, die Hassinhalte und Gewaltaufrufe entschieden unterbinden." Und zwar aus Eigeninitiative.

Auch die Netzgemeinde sei in der Pflicht. Die User müssten sich "mit Minderheiten solidarisieren, sich gegenseitig unterstützen und Naziparolen mit Argumenten die Stirn bieten", sagte Krüger. Während auf der Straße häufig gegen Rechtsextremismus demonstriert werde, fehle es "im Internet an der offensiven Auseinandersetzung". Hier sei nicht nur die Politik gefragt.

Linktipp: Wie schnell es gelingt, sich über Facebook in der rechten Szene zu bewegen - Sandys Weg.

© AFP/dpa/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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