Neonazi-Zentralregister:"Friedrich macht einen schweren Fehler"

Innenminister Friedrichs Plan, Neonazis in einer zentralen Datei zu erfassen, stößt auf viel Skepsis: Die SPD pocht auf einen baldigen Masterplan für ein NPD-Verbot, Grünen-Chefin Roth und Linken-Vize Wagenknecht wollen zuerst klären, ob staatliche Stellen in den NSU-Terror verstrickt sind. Selbst Friedrichs Kabinettskollegin Leutheusser-Schnarrenberger kann sich nicht für seine Register-Idee erwärmen.

Thorsten Denkler und Oliver Das Gupta

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ruft mit seiner in der Süddeutschen Zeitung vorgetragenen Idee für ein zentrales Neonazi-Register gemischte Reaktionen hervor. Der Tenor: Es ist zu früh, über eine solche Datei zu entscheiden. Andere Dinge sollten Vorrang haben.

Neonazis bei einer Demonstration in Dresden Anfang 2011.

Neonazis bei einer Demonstration in Dresden Anfang 2011.

(Foto: dpa)

Für die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth etwa setzt Friedrich die Prioritäten falsch: "Er macht den zweiten Schritt vor dem ersten, wenn er bereits Konsequenzen aus dem rechtsextremistischen Terror zieht, noch bevor diese schrecklichen Verbrechen vollständig aufgeklärt wurden", sagte Roth zu sueddeutsche.de. Für die Parteichefin ist es jetzt wichtiger, die Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) offenzulegen.

Friedrich müsse zuerst dem "ungeheuerlichen Verdacht", dass Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in die Mordtaten der NSU verstrickt sein könnten, nachgehen. "Wenn der Innenminister die Reihenfolge umdreht und in diesem Moment mit einem bunten Kaleidoskop von Vorschlägen vorprescht, begeht er einen schweren Fehler", so Roth.

Wolfgang Wieland, Innenexperte der Grünen im Bundestag, will eine zentrale Datei prinzipiell nicht ausschließen. Nur sollte vorher geklärt werden, ob es sich bei der braunen Terrorzelle um einen Einzelfall handelt und ob die "Meldewege zwischen den Behörden so versagt haben, dass wir zentralisieren müssen". Auch Wieland will also zuerst Aufklären, bevor man ein neues Register ins Leben ruft. Eine neue Datei sei "kein Allheilmittel".

Ähnlich sieht es Sahra Wagenknecht , die stellvertretende Parteichefin der Linken: "Das Register sehe ich skeptisch", sagte sie zu sueddeutsche.de. Friedrich solle sich lieber um andere Dinge kümmern: Die Rolle des Verfassungsschutzes in der Mordserie aufklären und durch Abzug der V-Leute ein neues, erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren vorantreiben. "Das wäre ein wichtiger Beitrag gegen den Rechtsterrorismus", erklärte Wagenknecht, "nicht der Aufbau eines Registers."

Thomas Oppermann von der SPD äußerte sich ähnlich. Der Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums forderte von Friedrich und den Landesinnenministern, sich bald auf einen "Masterplan für ein NPD-Verbotsverfahren zu verständigen".

FDP lässt Friedrichs Vorschlag abperlen

Michael Hartmann, Innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, begrüßte dagegen den Vorstoß von Innenminister Friedrich im Gespräch mit sueddeutsche.de: "Auch schon wach geworden?, könnte ich jetzt sagen." Hartmann forderte eine engere Zusammenarbeit der Behörden. Bisher sei ein Informationsaustausch nur über Fälle möglich, nicht über Personen. Hartmann will deshalb Indexdateien, die eine Volltextsuche auch nach Personen über Behördengrenzen hinweg ermöglichen.

Auf wenig Gegenliebe stößt Unionspolitiker Friedrich ausgerechnet beim Koalitionspartner FDP: "Was soll das Neue an so einer Datei sein?", fragte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im SWR. Die stellvertretende FDP-Chefin pochte darauf, zunächst klarzustellen, welche Register bereits existieren. "Es gibt ja natürlich Dateien für Gewalttäter von rechts, wie wir sie auch für islamistische Gewalttäter und linke Gewalttäter haben."

Gisela Piltz, Innenexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, sekundierte den Ausführungen ihrer Parteifreundin: "Sowohl Polizei als auch Verfassungsschutz führen ihre jeweiligen Dateien. Eine zusätzliche neue Datei ist nicht das Ei des Kolumbus", sagte Piltz zu sueddeutsche.de. "Ob oder ob nicht beispielsweise die Anti-Terror-Datei überhaupt effizient ist, wird ja gerade aktuell ohnehin evaluiert."

Es müsse jetzt vielmehr darum gehen, die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden zu verbessern. Relevante Informationen für Ermittlungsverfahren sollten gezielt und rechtzeitig die zuständige Behörde erreichen.

Zustimmung bekommt Innenminister Friedrich von einem Fraktionskollegen und Mann vom Fach: Bei Wolfgang Bosbach (CDU) stößt der Vorschlag auf offene Ohren. Die Idee "entspricht meinen Überlegungen", sagte er zu sueddeutsche.de. Mit einer bundesweiten Datei gewaltbereiter Rechtsextremisten "können wir Lagebilder erstellen. Das hilft Gewalttaten zu verhindern."

Bosbach, der Vorsitzender des Innenausschusses ist, betonte, dass es ein Trennungsgebot zwischen den Behörden gebe. Aber das "ist ja kein Kooperations- und Informationsverbot". Es reiche nicht aus, die Daten "alle dezentral zu sammeln und nur einmal im Jahr für den Verfassungsschutzbericht des Bundes zusammenzufügen". Gutes Vorbild sei die Anti-Terror-Datei, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eingerichtet wurde. Da werde schon heute die Bündelung der Informationen betrieben.

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