Neonazi-Netzwerk:Braune Post

Ist es dem braunen Knast-Netzwerk gelungen, Kontakt zur mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe aufzunehmen? Ermittler gehen bislang nicht davon aus, doch zeigen die Untersuchungen: Wenn sich Neonazis in Gefängnissen vernetzten, schreiten die Behörden mitunter zu spät ein.

Von Tanjev Schultz und Susanne Höll, Berlin

Ungebetene Post an Beate Zschäpe kam schon häufiger ins Gefängnis. Ein Zyniker schickte der mutmaßlichen NSU-Terroristin beispielsweise ein T-Shirt mit dem Aufdruck "I love Döner". Die Behörden fingen das Paket rechtzeitig ab, und Zschäpe ließ mit Nachdruck über ihren Anwalt mitteilen, dass sie das T-Shirt nicht bestellt habe.

Über einen Internet-Versand waren noch andere Geschmacklosigkeiten unter einer, wie sich herausstellte, falschen Zschäpe-Identität bestellt worden. Was Zschäpe in Untersuchungshaft zugestellt wird, unterliegt einer Postkontrolle. Daher dürfte sie auch den Brief eines Neonazis, der aus einem hessischen Gefängnis heraus die Nähe zum NSU suchte, nie bekommen haben - falls der Brief je abgeschickt wurde.

Hinweise auf einen Kontaktversuch haben die hessischen Behörden bei einer Zellen-Durchsuchung in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld gefunden. Der Neonazi, der Ermittlern voriges Jahr bereits eine wilde Geschichte über angebliche Kontakte zu den Terroristen erzählt hatte und der an einem Netzwerk von Neonazis in Gefängnissen beteiligt sein soll, wäre nicht der Erste, der gerne ein Bündnis mit Zschäpe schließen würde.

Breivik schickte einen Brief an Zschäpe

Im Mai 2012 schickte der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik einen - von den Behörden beschlagnahmten - Brief an Zschäpe, in der er sie als "liebe Schwester" anspricht und sie ermuntert, ihren Gerichtsprozess für rechtsextremistische Propaganda zu nutzen. Zschäpe hat daran aber offenbar kein Interesse. Ihre Verteidiger sind keine Anwälte aus der Neonazi-Szene, und bisher sieht es so aus, als werde Zschäpe vor Gericht schweigen.

Anders als Zschäpe ist der mutmaßliche NSU-Helfer Ralf Wohlleben in seiner Untersuchungshaft recht unverhohlen als Rechtsextremist aufgefallen. Briefe an Freunde beschriftete er mit Buchstaben, die an Hakenkreuze und Siegrunen erinnern, was sein Szene-Anwalt freilich bestreitet.

Hinweis, dass Gefangene "braune Hilfe" aufziehen wollten

Als Rune ist auch der erste Buchstabe einer "Satzung" für das in Hessen aufgeflogene Neonazi-Netzwerk mit dem Namen "AD Jail Crew" gestaltet. Die Satzung wurde bei der Durchsuchung in Hünfeld gefunden. Sie ist einer der Hinweise dafür, dass Gefangene versuchen, eine "braune Hilfe" aufzuziehen. Die Mitglieder sollten laut Satzung sogar Uniformen tragen.

Nach ersten Einschätzungen der Bundessicherheitsbehörden handelt es sich nicht um ein klassisches Netzwerk, auch um keine Nachfolgegruppe der 2011 verbotenen "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene" (HNG). Das Bundesinnenministerium erkunde derzeit, was es mit den Kontaktversuchen auf sich habe, hieß es in Sicherheitskreisen. Geprüft werde auch, ob Hessen den Bund und andere Länder zeitnah informiert habe. Im "Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechts", in dem Vertreter von Polizei und Verfassungsschutz des Bundes und der Ländern kooperieren, ist das Thema angeblich vorige Woche zur Sprache gekommen.

Hessens Justizminister: "ein Bauchgefühl", aber "nichts Belegbares"

Wenn sich Neonazis in Gefängnissen vernetzen, schreiten die Behörden mitunter zu spät ein. Das wurde zuletzt im NSU-Untersuchungsausschuss deutlich: Ein V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes war Mitte der Neunzigerjahre offenbar beteiligt an Umtrieben in einem Gefängnis. Das Innenministerium in Potsdam vermerkte damals, es sei bekannt, dass sich Rechtsextremisten in "Knast- und Kerkerkameradschaften" organisieren würden. In einer aktuellen Antwort auf eine Anfrage der Linken teilt die Bundesregierung mit, nach dem HNG-Verbot sei die Szene bestrebt, die Betreuung von Neonazi-Straftätern "aufrechtzuerhalten".

Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) wies Vorwürfe der Opposition zurück, er habe zu spät über die Vorfälle in Gefängnissen informiert. Es habe Ende vorigen Jahres "ein Bauchgefühl" gegeben, "aber nichts Belegbares", sagte Hahn im Deutschlandfunk. Nicht nur in Hessen beteiligten sich Neonazis an dem neuen Netzwerk. Auch in einem niedersächsischen Gefängnis soll jetzt ein Mitglied enttarnt worden sein. In Bayern sollen mehrere Gefangene in drei Justizvollzugsanstalten Kontakt zu dem Netz gehabt haben, teilte ein Sprecher des Justizministeriums in München mit.

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